In mancherlei Hinsicht erinnern Studiengebühren an Autobahnabschnitte: Ist die Idee erst einmal in ein politisches System eingedrungen, finden sich immer welche, die sich ihrer annehmen. Totzukriegen ist solch eine Idee offenbar nicht, auch wenn sie erledigt aussieht, aus irgendeiner Ecke kriecht sie immer wieder. Diesmal heißt die Ecke brand eins, ein sonst durchaus zu schätzendes Wirtschaftsmagazin, das den Wissenschaftsjournalisten Hans Martin Wiarda beauftragt hat, eine Beilage mit wissenschafts- und bildungspolitischen Inhalten redaktionell zu verantworten. Das mit den Gebühren scheint er ernst zu meinen.
Im Einleitungsartikel argumentiert Wiarda etwa so: Die Hochschulen hätten zu wenig Geld, für die Lehre. Deshalb sei es falsch gewesen, dass die deutsche Hochschulpolitik auf Einnahmen aus Studienbeiträgen verzichtet hätte. Schließlich könne man diese sozialverträglich als nachgelagerte Studiengebühren gestalten. Der Kardinalfehler der 2013 dann schließlich überall abgeschafften Studiengebühren habe einerseits darin bestanden, das Geld sofort haben zu wollen, andererseits nur an den Zinsinteressen der Banken orientierte Kreditoptionen angeboten zu haben. Als Beleg dafür, dass Studiengebühren sozialverträglich sein können, führt Wiarda das australische Modell nachlaufender Studiengebühren an (ausdrücklich nicht das englische mit seiner nachträglichen Steigerung der Beiträge und nachträglichen Absenkung der für die Rückzahlung zugrundegelegten Einkommensgrenzen). In Australien seien trotz der zu erwartenden Gebührenschulden mehr und nicht weniger Leute studieren gegangen (in England ist die Studierneigung erwartungsgemäß zurückgegangen).
Man hätte jetzt den Fehler der unzulänglichen Hochschulfinanzierung auch woanders suchen können, so z. B. in der fehlenden Bereitschaft politischer Akteure, den Hochschulen eine vernünftige Grundfinanzierung angedeihen zu lassen, aber Wiarda tut das nicht und es war ja auch nicht Ziel des Artikels. Aus dem Zusammenhang wird klar, dass es sich bei den vorgeschlagenen nachgelagerten Studiengebühren um nichts anderes, als eine Besteuerung von Wissenserwerb handelt. Wiarda gibt dies übrigens selbst zu, indem er vorschlägt, die Rückzahlung von Studienbeiträgen im Zusammenhang der Einkommenssteuer zu organisieren.
Eine nachgelagerte Besteuerung von Wissenserwerb ist aus moralischen und praktischen Gründen abzulehnen. Moralisch unzulässig wäre sie so lange, wie eine Steuerpolitik, die tatsächlich leistungsloses Einkommen aus Kapital und Erbfall besteuert, nicht mehrheitsfähig ist. Noch schwerer aber wiegen die praktischen Gegenargumente: Zum einen, weil eine Wissenssteuer angesichts der Alternative, Kapital einfach anzulegen, der Kapitalanlage einen Vorteil verschafft, damit also die künftige Wissensbasis der Gesellschaft schmälert. Schließlich wäre es ökonomisch nicht vernünftig, Wissen zu erwerben, wenn wissensbasierte Arbeit einer Sondersteuer unterliegt. Zum anderen ist eine Wissenssteuer schlecht in eine vernünftige Besteuerungslogik einzufügen. Schließlich ist es sinnvoll, Dinge zu besteuern, die aus gutem Grund nicht sozial universalisierbar sind (ökonomische Transaktionen), oder deren Konsum man aus umweltpolitischen, gesundheitsbezogenen oder moralischen Gründen nicht zu groß werden lassen will (Treibstoff, Tabak, Sekt, Kaffee). Für Wissen trifft beides nicht zu, weder kann es davon genug geben, noch hat sein Wachstum negative Folgen in anderen gesellschaftlichen Feldern. Im Ergebnis hätte man also ein Steuer, die gesellschaftliche zu Wünschendes (Wissen) minimiert und damit die Legitimität des Steuersystems insgesamt beschädigt.
Warum aber fordern dann sogenannte Top-Ökonomen* (wie Clemens Fuest, der künftige Sinn) Wissenssteuern? Weil Kinderbetreuung derzeit Geld kostet, steht in der Welt von gestern. Bevor man Steuerschlupflöcher schließt, will Fuest also lieber Studienbeiträge einführen, warum er den finanziellen Aufwand für Bildung nicht gesteigert sehen will, erklärt Fuest nicht. Andere von Wiarda als KronzeugInnen Bemühte wollen das, weil es hochschulpolitisch praktisch wäre. Der Rektor der Universität Tübingen, weil staatliches Geld nicht ausreiche, Ludger Wößmann (ein Bildungsökonom am IfO-Institut) hingegen meint, nachlaufende Studiengebühren wären mehrheitsfähig, weil sie nur Besserverdienende träfen, das Schließen von Steuerexitoptionen wäre das auch, in der Bevölkerung, nicht jedoch im Bundestag.
Micha Teuscher der Rektor der Hochschule Neubrandenburg, sieht in Studiengebühren die Möglichkeit für ein Modell, den Bund an der Hochschulfinanzierung zu beteiligen: der Bund so Teuscher solle die Zwischenfinanzierung übernehmen, bis die ehemaligen Studierenden zurückgezahlt hätten.
All die Statements machen deutlich, dass es eigentlich um die Lösung von Finanzierungsproblemen geht, an denen man sich anderweitig die Zähne ausgebissen hat. Schade eigentlich dass Studierende zahlen sollen, weil hochschulpolitische Akteure die Auseinandersetzung mit den Finanzbegehren anderer Politikfelder scheuen. Anders aber als der Verkehrspolitik (dem in der Sache zweifellos leistungsschwächsten Politikfeld weit und breit, dem es gleichwohl gelingt die gesellschaftlichen, sozialen und umweltmäßigen Kosten der eigenen Unfähigkeit auf den Rest der Gesellschaft abzuwälzen) gelingt dies der Hochschulpolitik bislang nicht. Hoffentlich bleibt das so.