Der oftmals interessante, immer wieder aber auch seltsame am Mittwoch erscheinende FAZ-Teil Forschung und Lehre wird immer mehr zum Tummelplatz lobbyistischer Interventionen im Namen der Verlagsbranche. Nachdem am 30.12. der Großpolemiker Roland Reuss dort den Untergang abendländischer Publikationskultur durch baden-württembergischen Open-Access-Wahnsinn beklagen durfte, ist nun am 13.01. schon wieder ein Artikel mit deutlich branchenlobbyisitischer Schlagseite erschienen. Rolf Schwartmann und sein Mitarbeiter Christian Henner Hentsch von einer Kölner Forschungsstelle für Medienrecht legen sich mächtig ins Zeug und fordern statt zu „verbieten“ „fair zu vergüten“.
Der erstgenannte Autor ist Vorsitzender eines Vereins von Angehörigen der Kölner Fachhochschule, der das „Bewusstsein für die erodierenden Werte geistigen Eigentums wecken will“, sich aber sonst und dies laut betont als „wissenschaftlich unabhängig“ sieht.
Was dieser Verein, beziehungsweise sein Mitgründer unter „wissenschaftlicher Unabhängigkeit“ verstehen kann man in der FAZ vom 13. Januar nachlesen. Die urheberrechtlichen Reformbemühungen seien einseitig heißt es da, würden sie Wirklichkeit, würde das heißen, dass in Zukunft nicht mehr der Markt darüber entscheidet, was veröffentlicht wird, sondern der Staat. Das ist nun eine doch recht überraschende Befürchtung, hätte man doch denken können, dass früher der wissenschaftliche Diskurs dafür ausschlaggebend war, was veröffentlicht wird und der Markt in Bezug darauf eine allenfalls dienstleistende Rolle spielte.
Derlei Kernaussagen sind in ausschweifende Wortgirlanden eingehüllt, die nach Fairness, Ausgleich, Ausgewogenheit, kurz nach so allerlei, was alle wollen sollen, klingen sollen. Nur manchmal lassen die Autoren das tönerne Skelett ihrer Argumentation durch die Firnis der Nettigkeiten durchscheinen, dann findet sich plötzlich eine Wendung wie „Umverteilung zu Gunsten der Länderhaushalte und einer bestimmten Wählerklientel“. Angedeutet wird hier also, dass derzeit zuungunsten der Länderhaushalte verteilt wird, und das es dabei bitte bleiben soll. Warum eigentlich bleibt im Dunkeln. Welche „bestimmte Wählerklientel“ gemeint ist bleibt ebenfalls unklar (man kann vermuten, Linke, Grüne und Studenten, solche Leute halt) auf jeden Fall aber muss den Verlegern die „erhebliche Leistung beim Veredeln“ bezahlt werden.
Solche wissenschaftlichen Einlassungen werfen in vielerlei Hinsicht Fragen auf: Nicht nur warum die FAZ redaktionellen Platz für so etwas zur Verfügung stellt, oder warum eigentlich immer wieder in solchen Artikeln so getan wird, als hätte man es bei Wissenschaftsverlagen mit wackeren Mittelständlern zu tun, die im Schweiße ihres Angesichts schöne, ja bibliophile Bücher verlegen.* Noch interessanter aber ist die Frage, warum eigentlich an einer öffentlichen Einrichtung eine Institution eingerichtet wird, die im Namen von Wissenschaftlichkeit lobbyistische Interventionen vollführen soll, also wissenschaftliche Legitimation für Dinge in Anspruch nimmt, die sie nicht verdienen. Es stellt sich dann auch die Frage, ob so etwas eigentlich Gegenstand des Aufbruches ehemaliger Fachhochschulen zu neuen Arbeitsfeldern sein sollte. Wäre das so, dann würde hier sowohl der Idee der Ermächtigung von vormaligen Fachhochschulen als auch der Idee der Wissenschaft Schaden zugefügt werden, es würde sich zeigen, dass es an der einen oder anderen ehemaligen nun Hochschule heißenden Fachhochschule, auf jeden Fall aber an der Kölner, schlicht an Urteilsvermögen mangelt, was Wissenschaftlichkeit ist.
Es wäre aber wahrscheinlich unfair, das als ein Problem ehemaligen Fachhochschulen darzustellen. Denn es gibt auch aus Universitäten lobbyistische Interventionen von HochschullehrerInnen (schließlich ist der obengenannte Reuss Professor an der Universität Heidelberg), nur heften diese sich seltener so marktschreierisch das Etikett der Wissenschaftlichkeit an.
Der Unterschied zwischen Leuten aus den verschiedenen Hochschultypen scheint somit darin zu bestehen, dass die aus den vormaligen Fachhochschulen es nötig zu haben scheinen, ihre Wissenschaftlichkeit laut heraushängen zu lassen. Damit schaden sie – wie gesagt – beiden Belangen. Ob sie ihrem Anliegen einen Gefallen tun mag dahingestellt sein, Medienrecht jedenfalls kommt so in einem doch arg praxisangeschmiegten Gewand daher.
* Stattdessen dominieren hier konzernartige Großorganisationen, deren Hauptaugenmerk darauf liegt, Geld mit dem Organisieren und Verwalten von Zugangsschranken zu öffentlich erzeugtem Wissen zu verdienen.