Das Problem der unternehmerischen Universität besteht darin, dass sie Vorstellungen entsprechen soll, die so gar nichts mit Universitäten zu tun haben. Das Vorbild waren Produktionsunternehmen (wie z. B. Wurstfabriken), in denen es klare Hierarchien und klare Trennungen von operativem und strategischem Geschäft gibt. Dort gibt es in der Sprache der Transaktionskostentheorie sogenannte Informationskonflikte zwischen Leitung und Ausführenden und das unternehmerische Kontrollproblem ist nach dem Principal-Agent-Modell zu konzeptualisieren. Das Modell besagt, dass es einen beauftragenden Prinzipal gibt und einen beauftragten Agenten, der über das, was er zu tun hat mehr weiß, als der Prinzipal, der Agent tendiert dazu, dieses Mehrwissen zu nutzen. Das ist der in diesem Modell beschriebene Informationskonflikt. Das Kontrollproblem für den Prinzipal besteht also darin, die MitarbeiterInnen (Agenten) dazu zu bringen, das Unternehmensziel zu verfolgen. Primär sollten sie daran gehindert werden, eigene Ziele zu verfolgen oder sich die Arbeit leicht zu machen, irgendeinen Vorteil aus ihrem fallbezogenen Mehrwissen zu ziehen. Es ist leicht ersichtlich, dass dieses Modell für Universitäten nicht passt: weder gibt es die klaren Hierarchien, noch die klare Trennung zwischen Operativem und Strategischem. Man kann sich zwar mit der Konstruktion behelfen, das Operative sei Forschung und Lehre und nur was ist dann das Strategische? Erkennbar trifft diese Konstruktion nicht das Wesen der Differenz, auf die sie angewiesen ist.
Gleichwohl, Jahre- ja nun schon fast jahrzehntelang hat sich das sogenannte Neue Steuerungsmodell an solchen Modellen orientiert und Governanceinstrumente geschaffen, die das Verhältnis von Universität und WissenschaftlerInnen genau so modelliert haben. Immer wieder gingen die den Instrumenten zugrundeliegenden Modelle davon aus, dass es Aufgabe von Leitungshandeln sei, WissenschaftlerInnen dazu zu bringen, ihre Arbeit richtig zu machen. Das passte hochschulpolitisch auch deshalb, weil es den Alltagserfahrungen derjenigen, die in den 1970er und 1980er Jahre studiert hatten entsprach. Für diese sah es so aus, als beschreibe das Prinzipal-Agent-Problem genau das, was sie in Zeiten der Massenuniversität erlebt hatten. Faule, eigennützige Professoren, die vielleicht alles Mögliche taten, aber nicht das, was sie zu tun beauftragt waren. Zum zweiten passte das hierarchische Modell von Prinzipal und Agent mit seiner Neigung, messbare und standardisierte Leistungserbringung zu erwarten, gut in die hierarchische Kultur der öffentlichen Verwaltung.
Immer wieder also stand Hochschulmanagement seither vor der Frage, wie man Wissenschaftleragenten dazu bringt, die von einer Leitungsebene definierten Organisationsziele zu verfolgen. Weil Universitätsangehörige dies bekannterweise immer wieder nicht taten, zudem (aus Organisationsperspektive) entweder faul, eigenbrötlerisch oder eigeninteressiert waren, war es aus Sicht vieler in der Politik geradezu logisch, für immer stärker werdenden Hochschulleitungen einzutreten. Diese Leitungen wurden dann damit betraut, Anreize zu implementieren, um das gewünschte Verhalten hervorzurufen. Lösen konnten diese Ansätze das (Informations-)Problem freilich nicht, denn auch für das Implementieren von Anreizen muss man etwas darüber wissen, wofür sich die Anzureizenden interessieren, der vom Prinzipal-Agenten-Modell beschworene Informationskonflikt ist als immer noch da und verschärft sich gar noch, wenn Hochschulleitungsfunktionen mehr von Managern wahrgenommen werden. Hinzu kamen neue durch die Steuerungsinstrumente geschaffene Informationsprobleme, so waren z. B. Lösungen (wie in etwa Zielvereinbarungen) auf der Suche nach Anwendungsfällen nicht nur eine Kinderkrankheit des Instrumentes, sondern ein strukturelles Element des Zielvereinbarungswesens. (und im übrigen ein Klassiker organisationssoziologischen Denkens). Die Instrumente trafen auf vielfältige Indikatorenopportunismen und erreichten dadurch oft nicht ihr Ziel.
In der Wissenschaftssoziologie wusste man also schon immer um die problematischen Aspekte dieser Prinzipal-Agenten-Perspektive und an der einen oder anderen Stelle fragte man sch, warum Universitäten denn ausgerechnet nach Produktionsunternehmen und nicht nach wissensintensiven modelliert werden sollten, nur, hochschulpolitisch durchzudringen vermochte das nicht.
Nun aber gibt es auch in der transaktionskostentheoretischen Betriebswirtschaftslehre Neuentdeckungen, die auch genau darauf kommen. Bertold Wigger Inhaber eines Lehrstuhls für Finanzwissenschaften und Public Management am KIT hat vor ein paar Wochen in der FAZ verkündet, es sei falsch, Universitäten nach dem Modell eines Produktionsunternehmens zu modellieren, weil sie wissensintensive Expertenorganisationen seien. Man müsse WissenschaftlerInnen gar nicht mit monetären Anreizen traktieren damit sie Wissenschaft betreiben, vielmehr würden sie das machen, weil es sie interessiere. Deshalb sei eine Kontrolle von WissenschaftlerInnen gar nicht zentral, viel wichtiger sei die Frage, wie WissenschaftlerInnen rekrutiert werden. Zum zweiten – so Wigger – gebe es in der Wissenschaft (von der Großgeräteforschung abgesehen) keine strukturellen Größenvorteile.
Als Alternative zur managerialen Steuerung möchte Wigger ein „professional partnership model“ vorschlagen.
Das Modell wird in einem Sammelbandbeitrag, den Wigger zusammen mit einer Doktorandin Nancy Edwards geschrieben hat etwas mehr entwickelt. Die selbstgewählte Aufgabenstellung ist, das Transaktionskostenmodell theoretisch robuster zu machen, indem man es dahingehend erweitert, dass es die Besonderheit von Wissensgütern (wörtlich: Knowledge as a commodity) berücksichtigen kann. Wissensarbeit wird beschrieben, als Nichtroutinearbeit definiert, Wissensarbeiter werden als Experten klassifiziert. Schlüsselcharakteristikum von Wissensarbeit sei, dass sie durch Nichtexperten kaum evaluiert werden könne. Professionelle Wissensarbeiter würden großen Wert auf Kollegialität, Beurteilung durch Peers, Autonomie, Informalität und Flexibilität legen. In wissensintensiven Firmen würde diesen Bedürfnissen mit breiter Partizipation bei strategischen Entscheidungen, rotierenden Exekutivfunktionen und hochgradiger persönlicher Autonomie im Arbeitsprozess begegnet werden. Es sei kein Zufall, dass das der akademischen Selbstverwaltung ähnele.
Es folgt ein Ausflug in die Professionstheorie des soziologischen New Institutionalism, der in der Feststellung gipfelt, dass ein neoinstitutionalistisches Professionenkonzept mit dem homo oeconomicus Modell der Transaktionskostentheorie unverträglich sei.
Professionen werden dann als Institutionen im Sinne Powell und DiMaggios, eher noch Scotts eingeführt. Am Ende concludiert der Exkurs in der Bemerkung, Angehörige der Professionen seien extrinsisch und intrinsisch motiviert. Auch dies fällt mit soziologischen Einschätzungen zusammen, die im neuen Steuerungsmodell im Wissenschaftsbereich schon immer das Problem wähnten, intrinsische durch extrinsische Motivationen zu verdrängen oder gar zu neutralisieren.
Warum das keine guten Nachrichten sein müssen
Man sollte nun allerdings vorsichtig damit sein, diese betriebswirtschaftlichen Neuentdeckungen für eine gute Nachricht zu halten. Warum das so ist, zeigt die Ausarbeitung des vorgeschlagenen Kollegialmodells in der Dissertation der mitschreibenden Doktorandin Nancy Edwards. Diese in der online veröffentlichten Version recht schmale Dissertation ist ausschließlich dem Professional Partnership Model gewidmet. Wo der Buchbeitrag sich noch zurückhaltend äußerte, ob das Partnerschaftsmodell tatsächlich in deutschen Universitäten eingerichtet werden könnte, ist die Dissertation optimistischer. Das Modell wird eingeführt als Instrument der Effektivierung von Governance (S. 57 f.), da es, der größeren Affinität zum Wissenschaftsbetrieb wegen, Transaktionskosten minimiere. Das sind hochschulpolitische vielleicht schlaue Argumente, schwierig aber wird es in der Konkretisierung. Dort unterscheidet die Autorin zwischen einem Hybrid- und einem marktorientiertem Modell (S. 66). Das Hybridmodell soll der alten deutschen Selbstverwaltung ähneln, im Marktmodell aber wären die Professoren nicht mehr Universitätsangehörige sondern dieser als Kontraktoren, Dienstleister verbunden. Schnell wird deutlich, dass es der Autorin eigentlich um das Marktmodell geht, weil nur dieses so richtiges Wunschdenken in betriebswirtschaftlich-normativen Modellen erlaubt. Diesen professoral wissenschaftlichen Dienstleistern wäre freigestellt, ob sie sich einzeln mit den Universitäten (über den Markt „contracting at arm´s length“, so steht das da) oder miteinander kooperieren und sich als Gruppe mit mehreren Universitäten verbinden. Die Universität könnte dann öffentlich bleiben und zu einer Art Holding (der Gebäude z. B.) weiterentwickelt werden. Diese Holding könnte dann als Real Estate Investment Trust (REIT) institutionelle Investoren am Markt gewinnen und die eigenen Anteile handeln. Die erwartbaren Kapitalerträge wären zwar nicht toll, aber schließlich sozial verantwortlich heißt es weiter, im Ergebnis gäbe es so heißt es dann etwas aber unter die social profitable university. Tenure wäre abgeschafft und durch Beschlüsse der professionellen Partnerschaften ersetzt (S. 74 f.). Studiengebühren, denen in diesem Modell eine Schlüsselfunktion als Einnahmequelle der Hochschulen zukommt, würden von der Hochschule auf Basis der Gebühren, die ihnen die Partnerschaften in Rechnung stellen kalkuliert werden. Die Hochschulen sollen angehalten werden, Bonds am Finanzmarkt zu verkaufen, dass sei eine Art Beitrag zur Demokratisierung und Vervielfältigung der Stakeholder und würde gleichzeitig die Qualität sichern helfen, denn nur eine gute Hochschule könne ihre Bonds erfolgreich am Markt platzieren (S. 78).
Auffällig an dem Modell ist, dass überall der Markt antritt, aber an keiner Stelle gründlicher danach gefragt wird, wie Markt im konkreten Fall aussehen kann, was die Akteure, was die Handelsgüter und was die Handlungen sind, die über den Markt koordiniert werden. Markt liegt an, wenn es darum geht, wie die Professorenpartnerschaftsverbünde mit den Hochschulen verbunden sind und dann auch, wenn es um die Studienwahlentscheidungen der Studierenden geht. Es entsteht der Eindruck, dass aus Sicht Wiggers und Edwards der Markt so etwas wie ein natürlich emergierender universeller Koordinationsmechanismus ist, der einfach immer da ist und sich immer und überall anbietet. Am Text, sowohl bei dem Buchaufsatz, aber erst recht bei der Dissertation fällt die nahezu vollständige Empirieabstinenz auf. Dementsprechend ist das Modell an den an den jeweiligen Märkten zu handelnden Wissensinhalten vollständig desinteressiert. Es stellt von daher auch gar nicht in Frage, ob Wissenseinhalte kommerzialisierbar sind oder nicht.
Die Vorstellung, Hochschulen sollten zu einer Mischung aus Maklerbüro, Facility Management, Studiengangsekretariat und Hedgefonds weiterentwickelt werden, erscheint nicht besonders attraktiv. Es bleibt dann auch spannend, welche Handlungslogik die dominierende werden würde und was das auf der Ebene der Wissensproduktion anrichten würde.
Auffällig ist auch, dass an keiner Stelle ersichtlich wird, wie Forschung ablaufen soll. Es sieht so aus, als sei Forschung wie auch Graduiertenstudium aus Sicht der Autoren eine klientenspezifische Dienstleistung, unklar bleibt allerdings, wer im Fall von Grundlagenforschung der Klient sein soll und noch unklarer ist, wie eine derart klientenorientiert aufgestellte Forschung mit dem Problem der Verknüpfung von Klientenbedürfnissen und wissenschaftlicher Wahrheitsorientierung umzugehen gedenkt. Besonders problematisch ist, dass im Falle der Forschung dem Modell zufolge eine KlientInnenbeziehung wie bei AnwältInnen, ÄrztInnen, WerberInnen oder UnternemensberaterInnen vorliegen soll, denn schließlich unterscheiden sich solche diese doch sehr stark von der von Forschungsfinanzierer und Forschenden. Sollte für wissenschaftliche Forschung überhaupt eine Klientenbeziehung in Frage kommen, dann ist nach Lage der Dinge heute im Falle der Grundlagenforschung der Klient der Staat. Es fragt sich allerdings, inwiefern dann eine stärkere Akzentuierung des Klientenaspektes bei der Forschungsfinanzierung demokratieförderlich wäre, ich denke, das wäre sie nicht.