Bei der in Berlin eingesetzten Arbeitsgruppe Demokratische Hochschule ist, wie zu erwarten war nichts herausgekommen. Der Abschlussbericht fällt allerdings noch belangloser aus, als ich erwartet hatte (ein Link dazu steht hier). Offenbar war es nicht möglich, sich auf einen Konsens, darauf, was helfen würde zu einigen. Das ist im Ergebnis schade und eine vertane Chance, aber Folge davon, dass einerseits da (fast) genau die Leute zusammensaßen, die sich seit zwanzig und mehr Jahren nicht einigen können, was zu tun ist, andererseits alle auf Nummer sicher spielten und niemand bereit war, auch nur einen Millimeter Terrain preiszugeben. Who is to blame? Nicht die Leitung der Arbeitsgruppe und ihre Mitglieder eigentlich auch nicht, am ehesten noch die sie einsetzende Behörde und der sie führende Staatssekretär, weil sie einen ehemaligen Senator als ihren Vertreter entsandte und damit der Haltung Ausdruck verlieh, dass man eigentlich am liebsten gar keine Ergebnisse wolle.
Was ist nun herausgekommen? Vor allem, dass man sich nicht einig ist, was die zu kurierenden Probleme sind und was also zu tun wäre und dann halt ein bisschen Minimalkonsens von Diversität und allgemeinen Partizipationsüberlegungen. Auffällig ist, dass der Begriffe Akademischer Selbstverwaltung aus Sicht der Arbeitsgruppe tot zu sein scheint uns sich endgültig Mitbestimmung als Leitbegriff durchgesetzt hat. Eine personalrätische Perspektive die seit jeher kaum einen Unterschied zwischen Hochschulen und anderen Organsisationstypen gesehen hat, prägt dann auch den Abschlussbericht. Allerdings fehlt jeder Hinweis darauf, dass sich mit einem Beziehen dieser Perspektive ein Wandel vollzogen hat bzw. welche Entscheidung damit verbunden war, vom Begriffe akademischer Selbstverwaltung abzugehen.
Der Bericht enthält insofern lediglich einen einzigen über die Detaildimenson hinausgehenden Vorschlag, die bislang ausschließlich ökonomisch zum Einsatz gebrachten Experimentierklauseln nun auch im Bereich partizipativ gestalteter Entscheidungsfindung zum Einsatz zu bringen. Übergeordnete Zielsetzung dabei ist, so steht da: „Die Hochschulen in die Lage zu versetzen, sowohl ihren Bildungs- als auch ihren Ausbildauftrag erfüllen zu können“. Der Paragraph 4 des Landeshochschschulgesetzes soll da um zwei Punkte erweitert werden: „Hochschulen sollen gesamtgesellschaftliche Aufgaben selbstständig aufgreifen und bearbeiten“, ferner haben sie gegenüber ihren Studierenden einen Demokratievermittlungsauftrag, sie sollen auf allen Ebenen von Entscheidungsfindung Partizipation sichern und weiterentwickeln. Das alles sind vernünftige, wenn auch manchmal etwas vag appellative Ideen und das gilt auch für die Vorschläge Zeit für (dann plötzlich) akademische Selbstverwaltung in der Personalbedarfsplanung zu berücksichtigen und MitarbeiterInnen mit Zeitverträgen bei Engagement in Gremien Vertragsverlängerungen zu gewähren. Aber alles in Allem ist das alles wenig, erst Recht kein Wurf, sondern einfach nur ganz nett.
Entsprechend umfang- und zahlreich sind dann die dem Bericht beiliegenden Sondervoten. Die PersonalvertreterInnen nahmen die Kommission zum Anlass, mal aufzuschreiben, was sie alles ganz gern hätten: Mehr Mitbestimmungsbelange, mehr Freistellungen, konkreter gefasste Stellungnahmefristen, Clustermitbestimmungsinstrumentarien, die personalvertretungsrechtliche Liste ist lang und umfassend. Beim Wahlrecht wollen sie das personalisierte Verhältniswahlrecht durch reine Listenwahlen ersetzt sehen, zudem sollen Personalratsangehörige in Gremien der Selbstverwaltung einziehen können usw. Es sieht so aus, als habe es aus Sicht der Personalvertretungen mit der Einrichtung der Arbeitsgruppe eine politische Wunschzettelsituation gegeben.
Die Landesastenkonferenz (LAK) will Gremienreferate, die analog zu wissenschaftlichen Diensten von Parlamenten Beratungsexpertise für Gremienarbeit zur Verfügung stellen können, aber sie wollen auch den Trend immer mehr Entscheidungsmacht in Präsidialbereiche zu verlagern stoppen und anders gestaltete Kuratorien eingeführt sehen.
Jürgen Zöllner wiederum hat ganz konkrete Ideen, wie er sich künftige Kuratorien vorstellt. Deren Mitglieder sollen von Statusgruppen (dabei zwei neuen befristeten und unbefristeten Akademischen MitarbeiterInnen) mit Zustimmung des Wissenschaftssenators oder für Wissenschaft zuständigen Senatsmitglieds eingesetzt werden. Dieses Gremium soll den Kanzler wählen und KandidatInnen für das Amt des Päsidenten vorschlagen.
Ja und dann haben die Vorsitzenden der Arbeitsgruppe noch ein dreiseitiges Papier über verschiedene Ansätze der Demokratisierung von Hochschulen vorgelegt und dem Bericht angehängt. Dabei stellen sie eingangs fest, dass mit zunehmender Inklusion von Akteuren in Entscheidungsprozesse die Anzahl der Partikularinteressen zunimmt und das mit der Anzahl von Partikularinteressen die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Blockadekartellen zunimmt. Wolle man etwas verändern, dann müsse es das Ziel sein, keine Mehrheiten gegen vorgeschlagene Veränderungen entstehen zu lassen.
Jenseits von Gremien schlagen die Vorsitzenden neue Partizipationsforen vor, so zum Beispiel Runde Thementische und Hochschulkonferenzen. Ein weiterer Vorschlag ist, Partizipationsinstrumentarien zu quantifizieren und einen Participation Index einzuführen, dann sähe man anhand einer Zahl, wie demokratisch eine Hochschule ist. Und ja, ein paar Vorschläge, was man so machen könnte, machen die Vorsitzenden dann noch: In etwa erhöhte studentische Stimmrechte in Gremien für Studium und Lehre, studentische VizepräsidentInnen, oder VizepräsidentInnen mit studentischen Einvernehmen etc.
Das ist alles ganz klug, nur eine Arbeitsgruppe, die ein halbes Jahr oder länger tagt, hätte es dafür nicht gebraucht.
Im Ergebnis ist es bedauerlich, dass es mit der Arbeitsgruppe nicht gelungen ist, der erschlafften Diskussion um die Demokratisierung der Hochschule neues Leben einzuhauchen. Dies ist – so paradox dies auf einen ersten Blick klingen mag – Folge davon, dass sich die Berliner KoalitionspartnerInnen für eine partizipativen Ansatz entschieden haben. Statt Leute zusammenzurufen, die sich durch intelligente Gedanken, wie man Entscheidungsfindung in Hochschulen demokratisch gestalten kann, einen Namen gemacht haben und aus diesen eine Art temporären Think Tank zu bilden, haben sie die Leute zusammengesetzt, die seit Jahrzehnten darüber ergebnislos streiten. Um es noch schlimmer zu machen, hat sich die Senatskanzlei – vertreten durch den Staatssekretär – gegen einen experimentellen Zugang entschieden und einen ehemaligen Senator entsandt, von dem bekannt war, dass er kein Freund partizipativer Institutioneninnovation ist. Alternativ hätte die Senatskanzlei ja auch auf Leute durchaus auch aus der eigenen Partei zurückgreifen können, die in der letzten Zeit mit interessanten Vorschlägen auf sich aufmerksam gemacht haben (in etwa die Psychologin Jule Specht, früher bei der jungen Akademie), das schien aber, wie es schien, dem Staatssekretär zu riskant.
In meinen Augen ist es schade, dass hier eine große Chance versenkt worden ist, zumindest ist klar geworden, dass zur Zeit wichtige Impulse wie Wissenschaft und ihre Selbstverwaltung demokratisiert werden kann, nicht von Berlin ausgehen. Schade ist es auch deshalb, weil gute Vorschläge zu diesem Thema der Rot-Rot-Grünen Koalition gut angestanden hätten. Nur leider, war Neues nicht gewollt.