Ein paar kurze Bemerkungen zu zivilgesellschaftlichen Bezügen von Hochschulautonomie

Joachim Metzner vormals Rektor der überaus schreibanlassergiebigen Fachhochschule Köln (siehe hier und hier) und Hans E. Roosendaal einer der Geschäftsführer von HochchulExpert einer Beratungsgesellschaft die „Strategie für Qualität“ im Angebot hat, haben ein Papier über Hochschulautonomie und ihren Zusammenhang mit strategischer Hochschulentwicklung vorgelegt. Jan Martin Wiarda hat das Papier gelesen und hier zusammengefasst und diskutiert. Der Staat sei den Hochschulen ein schlechter Vertragspartner fasst Wiarda Metzner und Roosendahl zusammen, weil er seinerseits die strategische Klarheit, die er den Hochschulen abverlange, vermissen lasse. Als Lösung aus dem Dilemma sehen die Autoren so Wiarda weniger Staat. So knapp, wie überraschungsarm will ich hier Wiarda und seine Auseinandersetzung mit dem Papier wiedergeben.

Mir fällt allerdings noch etwas anderes auf. Zunächst einmal die überraschende Schlichtheit mit der die Autoren des seltsamerweise Whiter Paper genannten Papiers die Leistungsfähigkeit von Hochschulen auf ihre Autonomie zurückführen. Die ersten zwei Seiten des neunseitigen Papiers enthalten nichts weiter als eine Wiedergabe internationaler Hochschulrankings und die Bemerkung, dass deutsche Hochschulen darin nicht gut positioniert seien. Als würden Finanzierung, Einbettung in das Bildungssystem, die Beschaffenheit des nationalen Innovationssystems keine Auswirkungen auf Qualitäten und Potentiale von Hochschulen haben.

Dann kommen Metzner und Roosendaal aber einem Kern des Pudels auf die Spur: Sie sagen, die Hochschulen würden die Tendenz sinkender Grundfinanzierungsanteile und steigender Programmfinanzierung kritisieren, weil dies Autonomie einschränke. Metzner und Roosendaal ziehen daraus aber keine ersichtlichen Konsequenzen, sondern wenden sich flugs der Exzellenzinitiative, dem Programm Innovative Hochschulen und den Folgen dieser Programme zu. Kurz danach schreiben sie von Tendenzen repressiver Rechtsaufsicht, ohne irgendetwas davon empirisch oder nur beispielbenennend zu grundieren.*

Dann geht es um die schon von Wiarda benannte Inkongruenz staatlicher und hochschulischer Strategien. Weder der deutsche Staat, noch die Hochschulen seien vollends strategiefähig sagen Metzner und Roosendahl. Ihnen ist für diese Beobachtung uneingeschränkt Recht zu geben, dennoch vermag sie (die Beobachtung) nicht wirklich zu überraschen. Weil allein das Fehlen einer bundespolitischen Verantwortung für die Hochschulen viele Misshelligkeiten bundesdeutscher Hochschulpolitik erklärt. Der Bund verspürt also einen inneren Drang etwas in die Hand zu bekommen mit dem er Einfluss auf Hochschulentwicklung ausüben kann.**Aber auch HochschulpolitikerInnen der Länder finden immer wieder, dass sie doch gerne mehr Möglichkeiten, was zu tun, hätten. Gerne auch nehmen sie Geld vom Bund und halten die Hochschulen ihrerseits dazu an, keine Bundesauschreibung zu verpassen.

Eine Problemlösung scheinen Metzner und Roosendaal in einer Art Kernprozesslehre zu sehen. „Der Staat sollte, um die Entwicklung des Hochschulsystems nicht in jeder Hinsicht selbst vorzugeben, jeder individuellen Hochschule eine ihren vier Kernprozessen angemessene Finanzierung zur autonomen Verwendung zur Verfügung stellen, verbunden mit klaren Erfolgskriterien zu den genannten vier Kernprozessen“, heißt das im Weißpapier. Da wäre dann auch niemand sonst drauf gekommen auf diese Idee. In welcher Hinsicht der Staat überhaupt noch irgendwas vorgeben soll, worauf sich Vorgeben und Nichtvorgeben denn beziehen sollen, Antworten auf solche Fragen sucht man im Papier allerdings vergeblich. Einen Anhaltspunkt der Stoßrichtung des Denkens der Autoren geben Passagen, in denen steht, dass der Staat sich mit der Frage der institutionellen Struktur der Hochschulen am besten gar nicht befassen sollte. Sie lassen darauf schließen, dass die Autoren des Papiers in Hinblick auf binnendemokratiebzogene Aspekte kaum mehr als Desinteresse aufbringen können.

Womit meine Diskussion des Papieres bei einem zweiten Schwachpunkt angekommen wäre. Die weitestgehende fehlende Diskussion des Autonomiebegriffs, die umstandslos als Organisationsautonomie konzeptualisiert wird und dabei übersieht, dass Begründungskern von Hochschulautonomie nicht Organisationserfolg, sondern Freiheit der Wissenschaft ist. Denn anders wäre gar nicht zu rechtfertigen, warum öffentlich finanzierte Einrichtungen Autonomie genießen sollten.

Das heißt, ein Autonomiediskurs, der sich nicht mit der Frage beschäftigt, dass es ein Spannungsverhältnis von organisationaler Autonomie und der inhaltlichen Forschungsfreiheit Wissenschaft beitreibender Organisationsmitglieder gibt, verdient diesen Namen nicht. Helfen könnte an dieser Stelle eine Revitalisierung des hochschulspezifischen Demokratisierungsdiskurses. Derzeit leidet er darunter, dass eine Vielzahl seiner Elemente aus einer Zeit stammen, als Strategie und Organisationsautonomie noch nicht Bestandteil universitärer Selbstbeschreibung waren. Hier sollte man ansetzen und dafür sorgen, dass die Strategiereflexion und organisationsbezogener Autonomiediskurs eine demokratische Unterfütterung bekommen. Denn dann könnte es gelingen, den Strategiebegriff aus seiner militärisch-managerialen Begriffsgeschichte herauszulösen und derart umzuformulieren, dass er auf die Fähigkeit von Wissenschaftseinrichtungen, gesellschaftliche Herausforderungen bewältigen zu helfen bezogen werden kann. Autonomie bezöge sich dann auf die Unabhängigkeit von wissenschaftsfremden Interessen und könnte zu einem Baustein gesellschaftlicher Demokratisierung werden. Die Losung wäre somit nicht „weniger Staat“, wie das White Paper einfordert, sondern eher anderer Staat mit mehr zivilgesellschaftlicher Interaktion.

 

*Was ich gut verstehen kann aus der Perspektive eines Consultingunternehmens. Wenn man Beispiele benannte liefe man Gefahr im einen oder anderen Landesministerium Verärgerung auszulösen, das wäre fürs Geschäft nicht gut.

**An anderer Stelle habe ich das „Drang zu hochschulpolitischem Wirksamkeitserleben“ genannt.