Zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative # 2: Inszenierung hochschulpolitischen Wirksamkeitserlebens vs. Unterfinanzierungskompensatorik

Vor etwas mehr als dre Wochen haben sich in der FAZ Ulrich Schreiterer und Stephan Leibfried zwei profilierte Beobachter/Kommentatoren der Exzellenzinitiative mit einer ausführlichen Zwischenstandsanzeige zu Wort gemeldet. Der Artikel enthält journalistisch gesehen nichts Neues, denn einerseits kann es zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum Neues geben, zum anderen sind seine Autoren als Wissenschaftler nicht für journalistisch Neues zuständig. Trotzdem ist der Artikel interessant, weil er eine gute Momentaufnahme, einen umfassenden Überblick zum Stand bietet, und einen guten Rückblick darüber, was bisher passiert ist. Deshalb möchte ich in den folgenden Absätzen kurz zusammenfassen, was sie sagen.
Konsens gebe es bis jetzt ja erst in Hinblick auf den globalen Finanzrahmen (480 Mio. jährlich) und den Zeitplan (im Juni 2016 muss es einen Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern geben), alles andere aber sei nach wie vor unklar. Derart unklar, dass der aus dem eben genannte Zeitrahmen hervorgehende Plan, dass Bund und Länder sich im Zeitraum bis dahin auf ein abgestimmtes Vorgehen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) geeinigt haben müssen, fast schon utopisch, zumindest aber ehrgeizig erscheine. Es könnte also sein, merken Leibfried und Schreiterer an, dass zum Juni kommenden Jahres nicht mehr, als ein Aufschiebe- bzw. Verlängerungsbeschluss über die laufende Runde der Exzellenzinitiative zustande kommt.
Für solch eine Vertagung spreche einiges: Zum einen die Tatsache, dass der Bericht der 2014 eingesetzten Imboden-Kommission nicht vor Januar 2016 veröffentlicht werde, die Politik also kaum 5 Monate Zeit hätte den Bericht zu verarbeiten, zum anderen, dass ebendiese Politik derzeit reichlich uneinig darüber ist, wo es hingehen soll. Die SPD sähe es wie gesagt gerne, wissenschaftliche Exzellenz zu einem Förderkriterien unter mehreren zu machen, die CDU aber will Exzellenz am liebsten eher noch etwas enger als bisher gefasst sehen und diese ganz ausschließlich fachwissenschaftlich-disziplinär verstanden wissen. Auch was die Verteilung von geförderter Exzellenz im Raum angeht, gebe es Differenzen: Die CDU sowie der Bund wollten Leuchturmpflege, die SPD und etliche (insbesondere die kleineren Länder) wollen so viel Exzellenzstreuung wie möglich, Flächenpflege also, denn dann könnte die EI als ein Antidot zur selbstbetriebenen systematischen Unterfinanzierung der jeweils eigenen Hochschulen eingesetzt werden. Bund und CDU geht es im Gegensatz dazu um das Zurschaustellen hochschulpolitischen Wirksamkeitserlebens. Schwerlich lässt sich entscheiden, wer an dieser Stelle richtiger liegt.
Nun könnte man denken, dass, wenn die Stimme der Politik dissonant ist, dass dann eine Stimme der Wissenschaft umso hörbarer sein sollte. Nur leider sei das auch nicht so u. a., weil die großen Wissenschaftsorganisationen ihre jeweils eigenen Interessen im Feld unterbrächten und deshalb eben auch dissonant intonieren würden. So möchte zum Beispiel die DFG in dem sogenannten Forschungsfelderwettbewerb, in dem Exzellenzcluster und Graduiertenschulen aufgehen sollen, federführend werden. Die Leibniz-Gesellschaft wiederum hätte gerne, dass einige der Exzellenzcluster als Leibniz-Universitätsinstitute fortgeführt werden. Helmholtz hält sich aus historischen Gründen zurück, schließlich sei die Helmholtz-Gesellschaft vor zwei Jahren in den Verdacht geraten, sich zu sehr im Wissenschaftssystem ausbreiten zu wollen und schließlich auch die Max-Planck-Gesellschaft würde aber auch gerne das eine oder anderer unter einem ihrer Dächer bündeln wollen… Der Wissenschaftsrat schließlich ist aus nachvollziehbaren Gründen schweigsam … Es fehlt also nach Ansicht von Leibfried und Schreiterer an einer zentralen, integrierenden vor allem aber neutralen Perspektive. Alles was man hört im Feld sei von irgendwelchen organisationalen oder akteursspezifischen Interessen beeinflusst.
Der nun noch folgende Rest des Beitrages ist der Mechanik der Möglichkeiten dessen, was kommen kann, gewidmet. Es würden sich wohl zwei Förderlinien abzeichnen, Forschungszentren und Spitzenstandorte. Diese seien wohl nach einem Prinzip kommunizierender Röhren quantitativ miteinander verschränkt, gäbe es von dem einen mehr, müsste es von dem anderen weniger geben. Die föderale Logik würde nahelegen, dass es wenige Spitzenstandorte und viele Forschungszentren geben wird. Blicke man nun auf die globalen Konkurrenzverhältnisse sei so ein Ergebnis möglicherweise nicht allzu sinnvoll, wie die für die Spitzenstandorte einsetzbaren Summen mit 30 Mio. einfach zu wenig seien, immerhin aber ein Ergebnis.

Warum das Beschriebene nicht als gute Nachricht zu werten ist
Käme es so wie beschrieben, wäre das in mehrfacher Hinsicht schade. Schade zum einen, weil auf das Wissenschaftssystem hierarchisierend eingewirkt werden wird (so wie es in etwa Richard Münch beschrieben hat), ohne dass dies an den internationalen Konkurrenzbedingungen der prämierten Universitäten nachhaltig etwas ändern wird. Vor dem Hintergrund einer grundsätzlichen Unterfinanzierung beinahe aller Hochschulen ist das ein zumindest problematisches Ergebnis.
Ebenfalls schade ist, dass es zu einer parteipolitischen Aufladung des Exzellenzbegriffes kommt. Diese bringt niemanden weiter und was noch ungünstiger ist, verstellt den Blick darauf, dass ein Exzellenzdiskurs, der die Zuschreibung wissenschaftlicher Exzellenz mit gesellschaftlicher Wirksamkeit von Wissenschaft zu verbinden vermag, zu wünschen wäre. So wie es jetzt geschieht, wird es genau dazu aber nicht kommen, stattdessen wird sich der Bund und die CDU als Verteidiger rein wissenschaftlich forschungsbezogenen Exzellenzredens inszenieren und die SPD einen intellektuell ebenso unüberzeugenden mit allerlei Wünschen aufgeladenen, politikpraktisch abgerundeten Exzellenzbegriff vertreten, der Kooperation und Regionalität umfasst. Die nun eigentlich gefragte Annäherung an ein transdisziplinäres Wissenschaftsverständnis wäre auch das nicht. Notwendig aber wäre, darüber zu diskutieren, wie der Exzellenzbegriff mit anderen Wissenschaft beschreibenden Diskursen verschränkt ist und sei es so, wie Sabine Maasen* dies schon vor sieben Jahren getan hat.
Erst dann wird es möglich, politikfeldvernetzt über Exzellenz oder das, was sie wissenschaftspolitisch beerben wird, zu reden und nicht nur einen wissenschaftspolitischen Selbstbespiegelungsdiskurs zu pflegen, der jenseits des Politikfeldes nur die Frage aufwirft, was das alles nun wieder kostet.

 

*Sabine Masen (2008): Exzellenz oder Transdisziplinarität. Zur Gleichzeitigkeit zweier Qualitätsdiskurse; in Stefan Hornbostel/Dagmar Simon/Saskia Heise (Hg.): Exzellente Wissenschaft. Das Problem, der Diskurs, das Programm und die Folgen; IfQ Working Paper No. 4, S. 23 – 33; download dort