Am Freitag der vergangenen Woche hat die Imboden-Kommission zur Evaluation der Exzellenzinitaitve (IEKE) ihren Bericht vorgelegt. Nach nun einer Woche kann man, nachdem sich der Theaternebel etwas verzogen hat, nachsehen, was von den Stellungnahmen die Diskussion lohnt und was nicht. Auffällig ist, dass fast alle so tun, als fänden sie gut, was die Kommission gesagt hat, d. h. überall wird begrüßt, gelegentlich wird Skepsis geäußert, ob es so gehen kann, wie sich das die Kommission gedacht hat. Von Seiten der HochschulpolitikerInnen der im Bund regierenden Parteien ist derzeit nur Inhaltsschwaches zu vernehmen, so nimmt die SPD-Fraktion im Bundestag den Kommissionsbericht zum Anlass noch einmal zu sagen, dass es mehr Exzellenz gebe, als in der Exzellenzinitiative gefördert wird. Wie wahr das doch ist, vor allen Dingen soll aber diese Presseerklärung unterstreichen, dass die SPD in Hinblick auf die Fortführung der EI das Richtige, nämlich eine Ausweitung von Exzellenzkriterien, so dass man Exzellenzmittel unterfinanzierungskompensatorisch einsetzen kann, gewollt hat. Das BMBF wiederum twittert, das Imboden gesagt hätte, es gebe keinen anderen Weg, als den der EI weiterzugehen, auch das ist wahr, irgendwie. Gleichwohl an beide Verlautbarungen wird sich schon nächste Woche kaum mehr jemand erinnern, nicht ganz zu unrecht.
Der Bericht der Imboden-Kommission
Zunächst deshalb zum Bericht selbst. Der Bericht ist mit einem Umfang von etwa 60 Seiten kompakter als üblich. Das wird dafür sorgen, dass er anders als die sonst vorgelegten zumeist doppelt so langen Berichte von Evaluationskommissionen gelesen werden kann und gelesen werden wird. Die Kommission ist viel gereist, hat eine Menge Gespräche geführt, mit Leuten, die in den bisherigen Runden etwas gewonnen haben, aber auch mit solchen, die nichts gewonnen haben. Für quantitative Aufbereitungen musste der Kommissionsapparat nicht in Anspruch genommen werden, weil es die schon gab. Das führt im Fall der IEKE dazu, dass der Kommissionsbericht qualitativ aussagestärker ist, als üblich. Die Kommission hat Baustellen benannt und benutzt diese als Gliederungssegmente für den Text. Klugerweise hat die Kommission nicht die einzelnen Förderlinien darauf untersucht, ob sie in irgendeiner Weise erfolgreich sind; vielmehr hat sie danach gefragt, welche Impulse von den Förderlinien für eine Bearbeitung der Baustellen ausgehen.
Dies sind (1.) universitäre Differenzierung, (2.) die Governance der Universitäten, (3.) Studierendenzahlen und die Qualität der Lehre, (4.) der Wissenschaftliche Nachwuchs, (5.) die Einbettung der Universitäten in das Wissenschaftssystem und (6.) Internationalisierung. Jede dieser Baustellen wird beschrieben, dann wird nach den Wirkungen der EI in Hinblick auf die Baustelle gefragt.
Was kommt nun dabei heraus: Eine ei-bedingte Differenzierung der Universitäten (1.) lässt sich – wenn man die banale Erwartung, dass aus mehr Forschungsgeldern und mehr Forschungspersonal mehr Veröffentlichungen folgen mal beiseite lässt – nicht beweisen, es ist auch zum gegebenen Zeitpunkt nicht klar, ob universitäre Schwerpunktsetzungen durch die EI befördert werden, oder ob sie nur sichtbarer gemacht werden. Was die Governance (2.) angeht sind Effekte in der richtigen Richtung da, für die es auch anekdotische Evidenz gibt, beweisen kann man da nichts, es werden aber die Perspektiven erkennbar. Jenseits des Punktuellen gibt es keine systematischen/intendierten Auswirkungen der EI auf die Lehre (3.) oder deren Qualität, dies erklärt sich aus hochschulpolitischen Widersprüchlichkeiten, die es schon vor der EI gab. Gleiches gilt für den Wissenschaftlichen Nachwuchs (4.), auch hier gibt es keine substantiellen Auswirkungen, jenseits des Punktuellen, ja zum Teil bezeichnet die Kommission die Wirkungen der EI als ambivalent, weil sie zu Aufblähungen wissenschaftlicher Personalbestände führte und somit uneinlösbare Karriereversprechen gemacht haben mag. Bei der Einbettung der Universitäten in die Wissenschaftslandschaft (5.) gibt es nach Auffassung der IEKE neue Impulse, hier ist es den Universitäten gelungen tendenziell aufzuschließen. Auch bei der Internationalisierung gibt es nachweisbare Impulse (6.). Zusammengefasst das alles noch einmal: Bei den Baustellen 1. und 2. ist die EI vielleicht wirksam, bei 3. und 4. gibt es kaum Positives zu konstatieren, bei 5. und 6. dann aber schon. Das ist – wenn man es mit anderen wissenschaftspolitischen Vorhaben vergleicht – und in Betracht zieht, dass eine qualitative Perspektive immer mit dem Problem kämpfen muss, was Ursache und was Wirkung ist, keine lausige Bilanz.
Aus diesen Befunden folgert die Kommission, die Graduiertenschulen aus der EI herauszunehmen: Sie sollen sistiert werden*. Diese hätten sich als Förderinstrument durchgesetzt und bedürften keiner Sonderförderung mehr, denn es geben ja nach wie vor und das immer mehr die Graduiertenschulen der DFG. Dann soll es zwei neue Förderlinien geben: Die Cluster sollen flexibilisiert werden, sie sollen auch kleiner sein können, diverser sein können, z. B. raumübergreifend, deshalb sollen sie fürderhin Exzellenucluster II (Förderlinie A) heißen. Die neuen Cluster sollen langfristiger finanziert werden (7-8 Jahre), Weiterförderung soll nicht an zwischenzeitlich erreichte Forschungsresultate gebunden werden. Verlängerung soll nicht möglich sein, aber Neubeantragung in Konkurrenz mit anderen Neuen. Beteiligte Universitäten nicht aber beteiligte Außeruniversitäre sollen eine Universitätspauschale im Umfang von 20 % obendrauf erhalten, dies soll die Governance der Universitäten stärken. Diese auf Flexibilisierung abzielenden Vorschläge scheinen sinnvoll, weil sie Schwächen der vormaligen Clusterförderung korrigieren, insbesondere auch kleinere Verbünde aus kleineren Fächern oder Universitäten antragsfähig machen würden.
Die vormals dritte Förderlinie soll modifiziert fortbestehen als zweite (Förderlinie B), allerdings nicht mehr im Rahmen eines gesonderten Antragsverfahrens, weil dieses die AntragstellerInnen zu einer Reihe von Schaufensterprojekten verleitet habe. Stattdessen als Exzellenzprämie, die die besten zehn Universitäten auf Basis ihrer Leistungen in der Vergangenheit (der letzten 7-8 Jahre) ohne Antrag erhalten sollen. Basieren soll diese Zuteilung auf Drittmitteleinwerbungen, Publikationsoutput, ERC-Grants, Forschungsratings ???), das ist noch etwas unklar, das britische Research Excellence Framework (REF) zu kopieren wäre wohl prohibitiv aufwendig führt der Bericht aus. 15 Mio. soll eine hieraus geförderte Universität pro Jahr erhalten können, wie bei der ersten Förderlinie 7 bis 8 Jahre lang. Die Methode nach der die Exzellenzprämienuniversitäten ausgewählt werden soll, soll größen- und fächerneutral sein, sich auf qualitätsgesicherte Parameter stützen und einfach sein.
Was daraus folgt
Die meisten meinen, nun sei die Politik am Zug. Von einer nahtlosen hochschulpolitischen Vereinnahmung ist kaum auszugehen, da der Bericht niemandem so richtig passen wird. Die CDU bekommt nicht ihre gewünschten ca. 5 international nun wirklich ganz, ganz sichtbaren Spitzenuniversitäten. Die SPD bekommt nicht die gewünschte all die Unterfinanzierungstatbestände kompensierende thematisch verbreiterte Exzellenzinitiative, die bis in den letzten Winkel des kleinsten finanzschwächsten Bundeslandes (das möglicherweise Fischerei doch höher schätzt als Wissenschaft), Geld verteilt. Die Gewerkschaften werden unzufrieden sein, weil es sich in Sachen Reform der Personalstruktur nichts tut.
Offene Fragen bleiben, wie die Zuerkennung der Exzellenzprämie denn dann stattfinden soll. Stephan Leibfried hat sich dazu kritisch in der FAZ (Nr. 28, S. N 4 z. Z. derzeit nicht online) geäußert, er meint, weder Drittmittel noch Publikationen seien als Indikatoren wirklich fächerneutral, dort wo es Monographien gebe, werde es schwer valide zu bewerten. Einige Kommentare arbeiten sich an den Exzellenzprämien und Präsidiumsaufschlägen ab, dies würde Konflikte erzeugen. An solchen Kommentaren zeigt sich, dass zur Zeit in der hochschulpolitischen Debatte nicht klar ist, wie es mit dem Spannungsverhältnis aus Strategiefähigkeit und Demokratiepostulaten weitergehen soll. Die Interviews die Imboden in dieser Woche in Zeit und FAZ gegeben hat, haben deutlich gemacht, dass die Kommission Strategiefähigkeit und Stärke der Hochschulleitung gleichsetzt.
Es stellt sich aus meiner Sicht auch die Frage, wie gut die IEKE die Folgen und Wirkungen der Exzellenprämie durchdacht hat, schließlich ist es ganz entscheidend wie es um die Governance und Haushaltsstruktur der jeweiligen Universitäten bestellt ist. Wenn eine Universität einen Globalhaushalt hat, dann wirkt sich eine Exzellenzprämie ganz anders aus, als wenn das Ministerium den Durchgriff bis in die Institute hätte.
Es wird auch dabei bleiben, dass die EI wie gehabt und so wie sie in zwei Jahren aussehen wird, so einiges nicht leistet. Der IEKE-Bericht wird daran nichts ändern, hatte er auch keinen Auftrag zu. So ist Uwe Schneidewinds Kritik, hier werde eine Chance veballert, den Exzellenzdiskurs um Aspekte nachhaltigkeitsorientierter und transformativer Wissenschaft zu erweitern und eine Gesellschaftsorientierung wissenschaftlicher Forschung voranzutreiben, berechtigt. Es stellt sich meiner Ansicht aber die Frage, ob der wissenschaftspolitische Diskurs, wie er derzeit von HRK und DFG gepflegt wird schon so weit ist. Wenn Sabine Maßens These von den zwei Qualitätsdiskursen Exzellenz und Transdisziplinarität (S. 22-33) denn stimmt, dann würde das heißen, dass es schwer werden wird, beide Ansprüche an ein politisches Programm zu stellen.**
Daraus würde folgern, dass eine Transdisziplinaritätsinitiative nötig ist. Welche Baustellen wären da anzugehen und wie könnte man so etwas schaffen? Hinweise darauf finden sich in Forschung über soziale, politische Wirkungen von Wissenschaft, z. B. hier. Am Anfang sollte der Gedanke stehen, transdisziplinäre Zusammenarbeit so auszugestalten, dass sich ihr Nutzen in beide Richtungen entfaltet. Wenig wäre damit gewonnen, Transdisziplinarität dahingehend zu verstehen, dass WissenschaftlerInnen nun Laien beteiligen müssen. Der Gedanke, Institutionen, die gute Ideen haben, richtig viel Geld zu geben, um daraus etwas zu machen, was das Wissenschaftssystem und seine Kooperationsbezüge weiterbringt, vielversprechend. Hochschulen, Zivilgesellschaftliche Akteure, Ausgründungen oder Startups, auch der lokale Staat oder Verkehrsverbünde und Energieerzeuger könnten in solchen Transdisziplinaritätsclustern zusammenkommen. Radikale, nachhaltigkeitsorientierte Innovation sollte dabei im Mittelpunkt stehen und auf jeweils konkrete Problemlösungen, die technische und soziale Aspekte umfassen ausgerichtet sein. Hier darf es dann durchaus eine Nutzenorientierung von transdisziplinärer Forschungs-/Kooperationsförderung geben, es kommt dabei auf die Definition dessen an, was Nutzen sein soll.
Transdiszipllinaritätscluster könnten ein Weg sein, das Problem der horizontalen Differenzierung des Wissenschaftssystems anzugehen, weil man dann Exzellenz nicht mehr in Anspruch nehmen müsste, um Problembaustellen zu bearbeiten, die ihre Ursache nicht im Binnenbetrieb, sondern im Außenverhältnis der Wissenschaft haben. Es ist Zeit das anzugehen.
* Das ist Schweizer- und/oder Projektmanagementdeutsch und bedeutet ein Projekt auf Halt zu setzen um es nach einer Entscheidung verändert fortzuführen oder abzuwickeln, ferner bedeutet sistieren jemanden auf einer (schweizerischen) Polizeiwache festzusetzen.
** Ich würde mir wünschen, dass es schon mehr diskursiven Anschluss an die These geben würde. Empirische Arbeiten, die das machen fehlen. Bislang weist Google Scholar aber erst drei Fundstellen auf, zwei Dissertationen aus der Hochschulforschung und eine Monographie von Ulrich Schreiterer, das ist noch nicht viel.