Erster Nachtrag zur Rezeption des Imboden-Berichtes drei Wochen nach Erscheinen

Drei Wochen liegt der Evaluationsbericht zur Exzellenzinitiative (EI) nun vor. Es ist auffällig, was daraus thematisiert wird und was nicht. So redet über den Vorschlag, die Graduiertenschulen aus der EI herauszunehmen niemand. Über die Cluster wird ein bisschen diskutiert, in etwa entang von Fragen wie: Sollen sie wirklich so klein sein können (kaum größer als SFBs)?, sollen sie wirklich so räumlich divers sein können (Konstanz und Greifswald z. B. wie sollte man denn da zusammenarbeiten können)?, aber das Hauptthema ist die Exzellenzprämie. Dazu fällt scheinbar jedem etwas ein. Auf einer Veranstaltung der Böll-Stiftung beklagte eine CDU-Vertreterin in einiger Unkenntnis des Kommissionsvorschlages, wie denn sichergestellt werden könnte, dass Geistes- und Sozialwissenschaften nicht aufgrund ihrer geringeren Geldbedarfe benachteiligt werden. Die SPD wiederum bezog noch einmal die bekannten Kampflinien und betonte, Exzellenz dürfe nicht ideologisch auf zu wenige Standorte eingegrenzt werden (und bleibt sich damit treu) , zudem, skeptisch würde der Vorschlag der Expertenkommission beurteilt werden, ein Prämiensystem für besondere Leistung als zweite Förderlinie zu etablieren. Das wissenschaftsgeleitete Auswahlverfahren sollte neben erbrachten Leistungen auch aktuelle Leistungen in ein antragsbasiertes Verfahren einbeziehen … Mit aktuellen Leistungen sind hier offenbar aktuelle Pläne bzw. zukünftige Leistungsversprechen gemeint.


Man können doch nicht, wenn es um die Zukunft gehe, past merits, Leistungen der Vergangenheit zum Kriterium machen, heißt es immer wieder mal in dieser etwas aufgebauschten Vergangenheit-vs.-Zukunft-Debatte, die Politik wähnt sich da allenthalben auf Seiten der Zukunft, viele aus den Wissenschaftsinstitutionen (und auch Imboden selbst auf der oben genannten Böll-Podiumsdiskussion) scheinen eher zu meinen, es sei rationaler Leistungen, die erbracht worden sind, zu prämieren, als noch nicht erbrachte Leistungsversprechen, von denen niemand wissen kann, ob sie eingelöst werden.
Ein zu einem Fachgespräch des Bundestagsauschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vorgelegtes Papier des Vorsitzenden des Wissenschaftsrates Manfred Prenzel bekundet nach etwa zehn mit hochschulpolitischen Selbstverständlichkeiten gefüllten Seiten den Wunsch, dass es für eine zweite oder dritte Förderlinie weiterhin ein antragsbasiertes Verfahren geben soll (S. 13). Auf die Frustrationen, Ressourcenverschleuderungen und systemischen Ineffizienzen des bisherigen antragsbasierten Verfahrens (all das, was im Imboden-Bericht mit dem Begriff Schaufenstereffekte bezeichnet worden ist) geht er nicht ein. Dann aber dreht das Papier so richtig auf, in einem langen mit der Überschrift „Anmerkungen zum Vorschlag eines indikatorengestützten Prämienmodells“. Es bemängelt, dass unklar bleibe, ob die Prämie für Ziele der Spitzenforschung eingesetzt werde, wenn die Exzellenzprämie käme, besonders geschickte Strategien keinen Vorbildcharakter mehr entfalten könnten (S. 14). Das Papier räsoniert dann noch weiter, dass „eine kluge Universitätsleitung“ die Verwendung der E-Prämie universitätsintern abstimmen würde, einen Plan zur Verwendung der Mittel aufstellen würde, ein internes Anreizsystem möglichst mit einem externen Beirat einrichten würde, das aber würde geringere Reputationseffekte auslösen als ein Zukunftskonzeptwettbewerb. Nach außen signalisiere eine solche Prämie nicht, worin die Bedingungen und Voraussetzungen von Spitzenforschung bestünden. Wenn denn überhaupt ein Reputationsgewinn dabei herauskäme, wäre er nicht an Ziele und Maßnahmen gebunden. Schlimmer noch: Leistungsträger könnten schon weg sein, wenn die Prämie als Belohnung käme, das würde das Meritokratieprinzip der Wissenschaft verletzen (S. 15). Wenn die notwendigen Aushandlungsstrukturen nicht hinreichend implementiert wären und es keine übergeordnete (weitgehend personenunabhängige) Strategie gäbe, wäre es ungewiss, ob die Exzellenzprämie zweckgemäß und zielführend verwendet würde, heißt es dann weiter im Text. Etwas mehr Sicherheit bekäme man aber, wenn bereits umgesetzte Konzepte, Governancestrukturen etc. in die Berechnungsgrundlage der Prämie mit einbezogen werden würden (ebd.).
Für die Verhältnisse des Wissenschaftsrates sind das eine Menge Konjunktive und Wenn-Dann-Verknüpfungen. Besonders die abschließenden Bedenken über die Verletzung des Meritokratieprinzips in etwa oder das Einbeziehen von Governanceaspekten in die past merits sind eine ganze Menge Unsinn (für die Verhältnisse des Wissenschaftsrates). Nähme man das ernst, würde jede Drittmitteleförderung das meritokratische Prinzip der Wissenschaft verletzen, weil es nie auszuschließen ist, dass an Anträgen Beteiligte die Hochschule verlassen. Wie man Bewertungen von Governancequalität, die darüber hinaus als Teil eines politischen Diskurses strittig sein müssen, in eine rückblickende Perspektive einbeziehen könnte, ist keinen Deut weniger schleierhaft als der von der Imboden-Kommission vorgelegte Vorschlag einer Exzellenzprämie.
Dieses Passage und der darauf folgende Absatz, der sagt, vielleicht stärken die damit interne Konkurrenzen, verwenden das Geld für eigene Zwecke und nicht für Kooperationen etc. Erstaunlich ist, wie stark sich der Wissenschaftsrat hier in Misstrauensbeschwörungen den Universitätsleitungen gegenüber ergeht. Es stellt sich die Frage, warum der WR dann nicht an anderer Stelle dafür eintritt den Einfluss von Hochschulleitungen zu begrenzen.
Eine Antwort warum der WR das so sieht wie oben findet man sinngemäß in der Ausschussstellungnahme des HRK Präsidenten Hippler, dort heißt es, eine ex post basierte Exzellenzprämie verlangt nach einer sicheren wissenschaftsbasierten Methodik. Politische Präferenzen oder governancetheoretische Meinungen wären da eher nicht mit drin. Das ist aus Sicht des Wissenschaftsrates offenbar was Schlechtes.