Drittmittel zum Dritten: Stifterverband widerspricht Hochschulwatch

Nun liegt seit dem 12. März eine Reaktion des Stifterverbandes auf die von Hochschulwatch ausgelöste Debatte über Drittmittel vor. Die Veröffentlichung, falls man das so nennen kann, heißt schlicht Faktencheck und besteht aus zwölf Folien. Auf der ersten Folie werden die Einnahmen der Hochschulen 2012 abgebildet, danach kamen 4,3 % der davon aus der privaten Wirtschaft, der Gesamtanteil der Drittmittel lag bei etwas unter 30 %. Eine zweite Folie stellt das Wachstum der Drittmittel seit 2002 dar, danach sind die DFG-Mittel um 116 % gestiegen, die des Bundes um 109 % und die aus der privaten Wirtschaft um 58 %. Auf Seite 3 des Faktenchecks sind dann prozentuale Steigerungen seit 2005 aufgetragen, danach sind seitdem die Drittmittelaufwendungen des Bundes, wenn man den Wert von 2005 mit 100 indexiert auf einen Wert von 243 gestiegen, aber auch die DFG-Mittel haben sich verdoppelt (die rechts auf derselben Seite aufgetragenen Prozentwerte sind unverständlich). Der Anteil der Wirtschaft – so sagt dann Seite vier – schrumpft nach Höchstständen 1998 und 2004 im betrachteten Zeitraum von einem guten Viertel auf ein knappes Fünftel. Zudem wird deutlich, dass die private Wirtschaft nur 22,1 % ihrer FuE-Aufwendungen extern vergibt und davon auch noch einen Teil an andere Unternehmen (z. B. an Ausgründungen aus der Wissenschaft sowie an sonstige innovative Start Ups oder nur an Ingenieurfirmen, die von Entwicklungsaufträgen leben), die verbleibenden 77,9 % werden intern ausgegeben. An die Hochschulen fließen dann schließlich 1,54 % der F&E-Aufwendungen der privaten Wirtschaft; dieser Wert wird verständlich, wenn man bedenkt, dass der ganz überwiegende Anteil dessen, was in der Wirtschaft als FuE-Aufwendungen dargestellt werden kann, mit wissenschaftlicher Forschung kaum etwas zu tun hat. Aber vielleicht ist dieser Wert auch einfach höher, denn auf folgenden Seite kann man sehen, dass der Anteil der deutschen Hochschulen an den verausgabten FuE-Mitteln seit 2005 von etwas über 10 auf 6,8 % gesunken ist, das entspricht im Großen und Ganzen den Zeitdiagnosen Globalisierung und Verwissenschaftlichung. Auch die insgesamt im Ausland ausgegebenen FuE-Mittel steigen zwischen 2009 und 2011 dreimal so stark, wie die im Inland ausgegebenen.
Zwischen 2009 und 2012 ist nun die Anzahl der neu eingerichteten Stiftungsprofessuren um knapp 10 % zurückgegangen, diese Entwicklung könnte, angesichts des langen Vorlaufs, der der Einrichtung einer Stiftungsprofessur vorangeht, aus der Finanzkrise, die sich in der zweiten Jahreshälfte 2008 ereignete, erklärbar sein.
Und dann geht der Faktencheck auf die aktuelle Kritik ein. HochschulleiterInnen sind befragt worden, ob es ihrer Ansicht nach zu Fällen „unangemessener Einflussnahme“ kommt. Beruhigenderweise meinen nur 6 %, dass das so ist, weshalb auch etwa so viele HochschulleiterInnen wie in der o. g. Umfrage nein gesagt haben, meinen, es solle mehr Kooperation mit der privaten Wirtschaft geben. Wird es konkreter finden etwas mehr Leute, dass es nicht mehr mehr werden sollte, bei Forschungsaufträgen etwa 20 %, bei Stiftungsprofessuren fast 25 % und bei gemeinsam getragenen Strukturen gar 31,5 %. Diejenigen, die sagen davon sollte es weniger geben sind allerdings in allen Fällen sehr wenige.
Zum Schluss kann man noch lesen, dass Drittmittel aus der Industrie mehr als die Hälfte der regionalen Wertschöpfung der Hochschulen ausmachen, diejenigen des Staates hätten hier keine Auswirkungen.
Begleitet wird das von einem Meinungsartikel von Andreas Schlüter, dem Generalsekretär des Stifterverbandes. Schlüter sagt, Hochschulwatch baue einen Popanz auf, denn es stimme ja gar nicht, dass die Bedeutung von Wirtschaftsdrittmitteln in der Hochschulfinanzierung zunimmt … Schlüter gibt also die Befunde aus dem Faktencheck noch einmal wieder und räsoniert dann über die Gründe für das, was er „Zurückhaltung der Hochschulen“ nennt, wenn es um Drittmittel aus der gewerblichen Wirtschaft geht. Für diese Zurückhaltung gibt er zwei Gründe an: zum einen würden Unternehmen oft nicht die vollen Kosten der von ihnen geförderten Drittmittelforschung tragen, deshalb mache sich hier die schwache Grundfinanzierung der Hochschulen bemerkbar. Er will nun diesen Effekt umkehren und verlangt eine Art Gegensubventionierung privat finanzierter Drittmittelforschung durch den Staat, er nennt das Matching-Modell, zum anderen wünscht er sich eine Steuergutschrift für Unternehmen, die Forschungsfinanzierung an Hochschulen betreiben. Ersteres gibt es eigentlich schon mit der Leistungsorientierten Mittelverteilung, zweiteres, die steuerliche Forschungsförderung scheitert daran, dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, sich auf ein entsprechendes Modell zu einigen, das seinerseits steuervermeidende Mitnahmeeffekte international aufgestellter Konzerne vermeidet. Mit anderen Worten, das Finanzministerium will wohl eine steuerliche Forschungsförderung für alle, also auch die großen Konzerne, die SPD will diese aber nur für den Mittelstand. Denn die großen Unternehmen schöpfen jetzt bereits derart viel Steuervermeidungsoptionen aus, dass für sie eine steuerliche Forschungsförderung nicht gebraucht wird und kaum begründbar ist.
Der Faktencheck und seine Veröffentlichung verfolgt scheinbar das Ziel, die Debatte aus Sicht des Stifterverbandes zu beruhigen, er soll als hochschulpolitische Argumentationshilfe dienen. Nur dafür sind die Zahlen zu undifferenziert, sie gehen weder auf Fächer noch auf Hochschultypen ein und sagen deshalb wenig aus. Vieles lässt sich aus gesellschaftlichen Großtrends erklären und ist nicht geeignet, die Drohkulisse, die der Stifterverband gerne aufmachen würde (Drittmittelforschung wandert ins Ausland ab) zu tragen. Insbesondere die dritt- und die vorletzte Folie (unangemessene Einflussnahme und Wünsche der HochschulleiterInnen in Bezug auf Kooperation mit der Wirtschaft) sollen in ein Fazit münden, dass alles eigentlich auf einem guten Weg sei, sie entwickeln aber nur ein Affirmationsbekenntnis der Hochschulleitungen, das nicht geeignet ist Bedenken zu zerstreuen. So ist der Argumentationsgang, dass es zum einen alles gar nicht so schlimm ist, wie die Kritiker behaupten, ja diese eine Popanz aufbauten, zum anderen gar (deswegen?) die Gefahr bestehe, dass drittmittelfinanzierte Forschung ins Ausland abwandert, nicht besonders überzeugend.