Fördermittelärger im BMBF und kein Ende absehbar. Ein kurzer Zwischenseufz

Ursprünglich hatte ich gar nicht vor, etwas zum Fördermittelärger des BMBF zu sagen. Zu linear, fast langweilig schien mir das alles, zu sehr in einer Handvoll Tweets zu erklären (vor etwa vier Wochen hatte ich das via Twitter gemacht). Aber das Haus schafft es, den Spannungsbogen zu halten und eine Unmöglichkeit nach der anderen hinterherzuschieben. Nicht nur, dass man im Juni schon den Eindruck vermittelte, dass da sich ein Trupp mehr oder weniger jungliberaler Männer und Frauen sich ein Bundesministerium angeeignet hat. Man spürt dort nicht einmal den Hauch eines Anlasses, diesem Eindruck entgegenzutreten. Die Beobachtungen, es im Falle des BMBF mit ideologischen motivierten Umtriebigkeiten zu tun zu haben, häufen sich. [1]Und fast noch schlimmer ist, dass die Restkoalition geneigt zu sein scheint, die FDP mit all dem davonkommen zu lassen.

Was also ist eigentlich passiert. Es begann, wie wir jetzt wissen, mit Überlegungen, Drittmittelempfangende vielleicht doch irgendwie Konsequenzen spüren zu lassen, dafür, dass sie einen offenen Brief Berliner Hochschullehrender unterzeichnet hatten, der sich gegen die Räumung eines propälästinensisch-antiisraelischen Camps auf einem Innenhof der Dahlemer Rostlaube wandte. Ich persönlich fand den offenen Brief seinerzeit verunglückt und den besonderen Charakter einer Universität, auch qualifizierter Diskursraum zu sein, verpassend. Mit dem weiteren Verlauf der Debatte tut die Qualität des offenen Briefes jedoch immer weniger zur Sache. Prüfaufträge wurden erteilt, von wem wirklich, will das Ministerium nicht so recht sagen. Dieselben Prüfaufträge wurden von Fachbeamt*innen als fernliegend zurückgewiesen, das Anlegen schwarzer Listen wurde eingefordert und der Weigerung, solche anzulegen, wurde hausspitzenseitigen mit dem Argument, solche amtliche Reaktanz sei schwierig, begegnet. Eine beamtete Staatssekretärin wurde dieser Prüfaufträge wegen in den vorsorglichen Ruhestand versetzt, angeblich, weil sie diese erteilt habe, was sie jedoch allem Anschein nach gar nicht hat. Reden über das alles darf die vormalige Staatsekretärin nicht, weshalb wir immer noch nicht wissen, wer was wie wollte.

Immer wieder wurde etwas geleakt, was darauf schließen lässt, dass es im Ministerium brodelt. Nachdem erneut geleaktes Material, das definitiv den politischen Charakter einer semiformellen Kommunikation zeigte, auftauchte, argumentiert die Hausleitung in einem negativen IFG-Bescheid, eben dieses Material sei privat und könne eben deswegen nicht herausgegeben werden. Warum aus einer Chatgruppe von zwölf überhaupt Material beim Spiegel landet, hat bis heute noch niemand gefragt, geschweige denn gesagt. Ich frage mich nur allmählich, wer da noch wem vertraut und wer da wen hintergeht.

Abstrus aus meiner Sicht war die Strategie des Bundesministeriums. Schon im Anfang der Affäre war der Anteil fachpolitischer Abwägung ministeriumsunwürdig gering. Die Spitze des Ministeriums nahm den Schaden, den die Forschungsförderung ihres Hauses  nahm, irgendwas billigend in Kauf, um das, was sie für politische Inhalte hielten, durchsetzen zu können. Diese Inhalte hatten, wie sich dann zeigte, fast nichts mit Wissenschaftspolitik zu tun, aber umso mehr mit einem latent autoritären Rechtsliberalismus, der für sich beansprucht, beurteilen zu können, wo die Grenzen der Wissenschaft verlaufen . Auf solchem intellektuellen Nährgrund wurde ein manichäischer Links-Rechts-Kampf gegen Antisemitisumus inszeniert, wohl auch, aber nicht nur, um Zustimmung des rechtsgewirkten Kommentariats erringen zu können. Das gelang dann auch so schlecht und recht, rechts der politisichen Mitte fanden sich genug, die behaupteten, eine Fördermittelaffäre gebe es gar nicht und wackrer Kampf gegen akademischen Antisemitismus würde von Linken sinistrerweise als eine Sogenannte denunziert. Wirklich überzeugend war dieses Narrativ nie und viel nach den gut recherchierten Artikeln in der Zeit (insbesondere Scholz und Spiewak)[2] und im Wiarda-Blog in sich zusammen.

Und dann wurden bereits im Herbst 2022 Fördergelder in unüblich erheblichem Umfang (fast 900.000€) an eine liberale, zwischen Politik- und Lobbyismusbetrieb changierende Stiftung, in der sich CDU-Nahe und Rechtsliberale die Klinken reichen, umgeleitet. Und für diese Transaktion wurde auch nicht das übliche Verfahren einer Beteiligung der Wissenschaftsgemeinschaft mit Peer-Review und Projektträger gewählt, nein, das Geld kam direkt über die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. Und das alles zeitgleich mit Kürzungen anderer BMBF-Forschungsprogramme, die dazu führten, dass bereits mündlich avisierte Förderzusagen zurückgezogen werden mussten. Dafür interessiert sich heute inzwischen fast niemand mehr, was ein bezeichnendes Licht auf die Wertschätzung, die der Berliner Politikbetrieb für wissenschaftspolitische Förderentscheidungen aufbrigt, fallen lässt. Ich wüßte gerne, wie die die restkoalitionären Stimmen im Haushaltsausschuss zustande kamen, denn allein mit den Stimmen der FDP-Ausschussmitglieder wird kaum eine Mehrheit zustande gekommen sein.

Es sieht so aus, als mache man sich bloß wegen irgendwelcher Forschungsförderprobleme keinen Ärger und wenn ein bestimmter Koalitionspartner unbedingt darauf besteht, Staatsgeld den eigenen Kreisen angedeihen zu lassen, dann lässt man ihn gewähren.  Der langfristige Schaden ist schließlich auch noch nicht absehbar, der kurzfristige aber konkret und um so absehbarer  und zumindest aus Sicht der DFG ist es ja auch gar nicht unbedingt von Schaden, wenn der reputationale Abstand zu anderweitigen Förderformaten namentlich denen des BMBF größer wird. Vielleicht bleibt es auch aus diesem Grund vergleichsweise still.

Kaum absehbar ist auch der Schaden, den die ideologiegetriebene Selbstentlastungsstrategie der Hausspitze der Debatte über campusantisemitische Entgleisungen zufügen wird. Auf Monate, wenn nicht Jahre wird in Hinblick darauf wenig an differenzierter Diskussion möglich sein. Die Fördermittelaffäre reiht sich damit in die unselige Reihe missglückter Antisemitismusdebatten ein, die mit der sog. Mbembe-Debatte vor vier Jahren begonnen haben. Sie ist damit ein weiterer die politische Kultur der Gesellschaft beschädigender Problemcluster, der einmal mehr vor Augen führt, wie unwichtig letztendlich wissenschaftspolitische Gestaltungsaufgaben geblieben sind.

 

[1] Vergl. als jüngsten Artikel Heike Schmoll: „Der FDP Korpsgeist in Stark-Watzingers Ministerium“ am 21. Juli in der FAZ; url: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/affaere-um-foerdermittel-fdp-korpsgeist-in-stark-watzingers-ministerium-19870174.html .

[2] Vergl. online in der Zeit Nr. 27/2024, online dort zu finden: https://www.zeit.de/2024/27/bettina-stark-watzinger-bildungsministerin-ruecktritt-foerdergeld-affaere.