Die Junge Akademie hat vor einigen Wochen eine Studie zur Berufungspraxis bei der Einrichtung von Juniorprofessuren (JP) vorgelegt. Die Studie untersucht nicht, wie sich JuniorprofessorInnen fühlen oder was andere ProfessorInnen vom Instrument Juniorprofessur halten, also Befindlichkeiten und sticht deshalb aus hochschulforscherischer Langeweile heraus. Stattdessen sind die Untersuchungsfragen zum einen, ob eigentlich von einem Karriereweg Juniorprofessur die Rede sein kann, andererseits ob man dass, was es bei der Rekrutierung von JuniorprofessorInnen beobachten kann, den Namen Bestenauslese verdient. Schon die Fragen weisen auf die Vermutung der AutorInnen hin, dass beides möglicherweise nicht zutreffen könnte. Was kriegen sie nun heraus?
Zunächst einmal, dass die Umsetzung an den unterschiedlichen Hochschulstandorten sehr unterschiedlich ist. Mal gibt es – wie sich das inzwischen auch der Wissenschaftsrat wünscht – Junior Professuren mit tenure-track, andernorts aber gibt es so was nicht; mal sind Juniorprofessuren mit Ausstattung versehen, mal fehlt diese ganz. Das Spektrum reicht deshalb von echten Professuren bis hin zu Juniorprofessuren, die sich von vormaligen Assistenturen eigentlich durch nichts unterscheiden. Diese Art von starken Divergenzen gehen auf unterschiedliche Landeshochschulgesetze und dann noch unterschiedliche Auslegungspraxen derselben zurück.
Gemittelt über alle untersuchten Universitäten gibt es 30 JuniorprofessorInnen pro Universität, was wenig, eher gar nichts über die Realität aussagt, denn insgesamt mehr als 300 JP gibt es an der FU Berlin, der Universität Göttingen sowie den Universitäten Mannheim und Kaiserslautern. Zählt man dann die JP der beiden Münchner Universitäten sowie die aus Heidelberg und Karlsruhe hinzu hat man nur 64 mehr. Das zeigt, dass die Zahlen wirklich sehr unterschiedlich ausfallen, an manchen Universitäten machen JP ein Drittel der ProfessorInnenschaft aus, an anderen sind sie exotische Sonderfälle, die selten anzutreffen sind. Aber nicht nur entlang der quantitativen Dimension sind die Zahlen vielfältig, nein auch die Berufungspraxen scheinen von Ort zu Ort deutlichst zu variieren: Während an der LMU zu 44 an der FU Berlin immerhin noch zu 33 % der hauseigene Nachwuchs berufen wird, sind dies an der Universität Göttingen nur weniger als 5 %.
Im Ländervergleich fällt auf das Niedersachsen offenbar das JuniorprofessorInnenland ist, denn dort gibt es 2541 (das sind 44 mehr als in NRW) während es im eher juniorprofessorInnenaversen Bayern nur 96 sind.2 Das in Hinblick auf Residualordinarientum in Deutschland bestehende Süd-Nord/Ost-West-Gefälle kommt auch hier zum tragen, wenn man davon ausgeht, dass die Einrichtung von (echten, d. h. mit Ausstattung, Haushaltsmitteln und echtem Recht den Titel zu führen versehenen) Juniorprofessuren antagonistisch zu traditionellen Universitätsperspektiven steht.
Die Unterschiede sind, das zeigen die Zahlen, nicht fachkulturell bedingt, weder gibt es nennenswerte Unterschiede entlang der Fächergruppen noch entlang etwaiger Universitätszugehörigkeiten zu Verbänden wie TU 9 oder U 15, damit auch nicht entlang der Universitätstypen. Einzig der Anteil der JP an der Gesamtzahl der ProfessorInnen variert nach Fächergruppen, in den Sozialwissenschaften gibt es mehr, in den Ingenieurwissenschaften gibt es signifikant weniger, was mit der fehlenden Tradition der Habilitation dort und den Industrieberufungen zusammenhängen dürfte.3 Die beobachtbaren Unterschiede im Geschlechterverhältnis bewegen sich im Bereich des fachkulturell zu erwartenden. All das lässt vermuten, dass die Differenzen bei den Anteilen der Hausberufenen organisationskulturell erklärt werden müssen. In der Studie findet sich dazu die kurze Spekulation, dass offenbar an unterschiedlichen Universitäten unterschiedliche Auffassungen darüber, was JP eigentlich sein sollen, anzutreffen sind.
Empfohlen wird im Fazit der Studie, die Unterschiede zu reduzieren und ein Hausberufungsverbot flächendeckend einzuführen.
Die Empfehlungen scheinen vernünftig, wenn man bedenkt, dass der Idee nach die Juniorprofessur der Königsweg zur dauerhaften Professur sein soll. Wenn das so ist, dann wären die recht extremen lebensweltlichen Unterschiedlichkeiten selbstverständlich nicht so vernünftig, da sie weder Vergleichbarkeit noch Erwartungssicherheit generieren.
Auf unangenehme Art überrascht noch einmal die recht geringe Gesamtzahl der JP, insgesamt 1561 nach Zählung der Jungen Akademie (laut Wissenschaftsrat beträgt die Zahl 2012 1439, Wissenschaftsrat, Karrierewegeempfehlungen S. 102), das ist etwa ein Viertel der Stellenzahl der abgeschafften AssistentInnenstellen (C1) und der anvisierten JuniorprofessorInnenzahl. Die verbleibenden 4 bis 5000 Post-Docs werden dann abzüglich einer geringen Zahl von NachwuchsgruppenleiterInnen offenbar auf E13vergütete Angestelltenstellen gesetzt und bleiben damit wissenschaftliche MitarbeiterInnen in den Fachgebieten. Zumindest dies ist im Vergleich zum Status quo ante aus Sicht der Betroffenen eine Verschlechterung.
In beiden Fällen ob auf der JP oder als Post-Doc begegnen die StelleninhaberInnen oft Zielvereinbarungsvorschlägen, die mit Drittmitteleinwerbungserwartungen verbunden sind. Es ist noch nicht abzusehen, welche epistemischen Konsequenzen es haben wird, wenn wissenschaftlicher Nachwuchs seine Themenfindung nicht mehr vergleichsweise unabhängig von drittmittelspezifischen Überlegungen vornehmen kann.
1 Ohne die 14 der Universität Osnabrück (Zielvereinbarung 2014-2018 der Universität Osnabrück mit dem MWFK-Niedersachsen, S. 14).
2 Die länderbezogenen Gesamtzahlen der Studie sind mit einiger Vorsicht wahrzunehmen schließlich fehlen etliche Universitäten in der Darstellung: z. B. die Universität Greifswald, oder Osnabrück, die CAU Kiel, die TUen-Magdeburg und Ilmenau oder Hamburg Harburg etc.. Auch die Gesamtzahl der untersuchten Universitäten ist mit 51 gering.
3 Diese Unterschiedlichkeit fiel in der Junge Akademie Studie methoden- und fragestellungsbedingt nicht auf, der Wissenschaftsrat benennt ihn aber in seinen Karrierewegeempfehlungen (Empfehlungen zu Karrierezielen und -wegen an Universitäten (2014), S. 103.).