Rechte Wissenschaft? Klima als Gegenstand von Politik

Konservative und Rechte Politik tendiert zumeist zu gesellschaftlicher Affirmation. Aus normativen Erwägungen heraus motivierter Gesellschaftsumbau ist weder Teil der rechten noch der konservativen Programmatik. Alltagspraktisch gesehen fährt konservative Politik damit immer wieder gut, denn es gelingt ihr, die Zustimmung derer zu gewinnen, die wollen, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Insbesondere in brauchbar verfassten und recht gut organisierten Staatswesen kann man mit solch einer Programmatik immer wieder Wahlen gewinnen. Ein nicht so zustimmungsfähiger gleichwohl nicht seltener Aspekt rechter Politik ist der der Ablehnung wissenschaftlicher Weltzugänge. Dieser Aspekt reicht weit in die Vergangenheit zurück, und war stets präsent, als gesellschaftliche Affirmation und Religiosität zusammenfielen. Religiös-Konservative lehnten bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein die Evolutionslehre ab (in den USA tuen das viele von ihnen noch heute), auch bis heute lehnen Teile des konservativen und rechten Spektrums all die Wissenschaft ab, die sich mit Umweltfragen oder Fragen der gesellschaftlichen Verteilung von Gütern beschäftigt. Andere Rechte wiederum mögen vielleicht die Natur schützen wollen, lehnen aber sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Gesellschaft ab, manche leugnen gar, dass es so etwas wie Gesellschaft überhaupt gibt und sehen dabei nichts als Märkte und Individuen. Es geht vielen Rechten und Konservativen dabei primär darum, jede Art des Gesellschaftsumbaus, den sie als ein linkes Projekt betrachten, abzuwehren.
Dies ist auch der Grund für das, was man amerikanisch als Climate Change Denial bezeichnet. Es geht dabei darum, dass das Wirtschaftssystem so bleiben soll wie es jetzt ist, abgewehrt zumindest aber verzögert werden soll ein an Nachhaltigkeitszielen orientierter Umbau, jede Art der Dekarbonisierung. Die Argumente dafür sind vielfältig, sie reichen von, „Klimawandel gibt es nicht“(a), über „es gibt ihn, aber er ist nicht menschengemacht“ (b), bis zu intelligenteren Varianten wie„es gibt ihn und er ist menschengemacht, aber man kann nichts gegen tun wegen Indien und China“(c1) oder „… ist nicht das wichtigste Problem und wäre im Gegensatz zu anderen wichtigeren Problemen zu teuer zu bearbeiten“, (c2) bis hin zu obskuren Nebensträngen, wie „Klimawandel eröffnet neue Chancen“ (d) oder „CO2 ist was Gutes“ (e).

Eine Politkwandelverhinderungsindustrie
Die Argumentationslinien (a) und (b) sind außerhalb der USA (und vielleicht Polens und Chinas) nicht wirklich gesellschaftsfähig und deshalb in nichtamerikanischen Medien mit Ernsthaftigkeits- bzw. Wahrhaftigkeitsanspruch kaum anzutreffen, für die us-amerikanische Rechte sind sie das aber schon. C1- und c2-Argumentationen trifft man auch in Europa an, manchmal in der Wirtschaftspresse, bei VerbandsvertreterInnen aus der Energieindustrie, manchmal bei Bjorn Lomborg oder anderen Helden klimapolitikkritischer Stammtische. In den USA jedenfalls hat sich eine veritable Politikwandelverhinderungsindustrie etabliert, die kein anderes Ziel verfolgt, als energiepolitische Ansätze und umweltorientierte Politik zu verhindern, zumindest aber zu diskreditieren und aufzuhalten. Zu dieser Industrie gehören Stiftungen und Think Tanks, ein Netzwerk von Instituten, die sich mit Energiepolitik der Bundesstaaten befassen (das State Policy Network)* und einige sich als wirtschaftswissenschaftlich bezeichnende Universitätsinstitute (z. B. das Beacon Hill Institute in Boston)**. All diese Institute argumentieren stets damit, dass umweltorientierte Energiepolitik für VerbraucherInnen die Kosten treibt und damit das Leben verteuert sowie die Haushalte der Bundesstaaten belastet und dass man solche Politik deshalb besser bleiben lassen sollte. Diese Bemühungen werden von republikanischen PolitikerInnen begleitet, die kaum argumentativen Aufwand scheuen, Zweifel am Klimawandel aufrecht zu erhalten.

Intellektuelle Entlastungsstrategien für Freunde des klimapolitischen Aufschubs
Aus all dem resultiert der Vorwurf an die republikanische Rechte, wissenschaftsfeindlich zu sein. Das ist natürlich ein Problem, wenn man andere Kreise als weiße ältere Männer mit working-class-Hintergund ansprechen will. Es gibt allerdings eine Diskussion, bei der einige TelnehmerInnen das Ziel haben, genau dieses Problem nicht so groß, bzw, nicht als eins der republikanischen Rechten alleine aussehen zu lassen, die Theorie dazu nennt sich motivated reasoning. Dabei wird unterstellt, dass sowohl Rechte als auch Linke in Bezug auf bestimmte Wissenschaftsinhalte kognitive Dissonanzen empfinden würden. Was bei den Rechten ein Mißtrauen gegen Studien über menschengemachten Klimawandel sei, spiegele sich bei den Linken wider, z. B. wenn es um die Sicherheit der Einlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen Gesteinsschichten oder das Impfen von Kindern gehe. Mit einigem Aufwand wird dann nachgewiesen, dass Linke und Rechte sich angesichts derlei kognitiver Dissonanzen gar nicht so sehr unterscheiden würden, es geht halt nur um die Themen. Solche Studien, die Titel wie „The Partisan Brain“ haben sind selbstverständlich auch auf populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, die das Thema neuropsychologischer Spezifika republikanischer Rechter zum Gegenstand haben zu lesen. Medial werden solche Studien gerne rezipiert, auch wenn das wissenschaftliche Echo darauf ein überschaubares bleibt.
Schwächen dieser auf motivated reasoning abstellenden Studien liegen zum einen in der Sache, also darin, dass sie entweder argumentativ nicht sauber gearbeitet sind, oder dass die in ihnen enthaltenen Behauptungen einer Überprüfung nicht standhalten und dass sie oft Äpfel mit Birnen vergleichen. So wurden in der politik- und medienwissenschaftlichen partisan-brain-Studie Forschungs- und Technologiefelder gleichgesetzt, um eine politische Gleichverteilung von Mißtrauen in Wissenschaft konstruieren zu können.
Ein weiteres Manko dieser Studien ist, dass es zwar oft zentraler Bestandteil rechter Diskurse ist, am Klimawandel zu zweifeln, Zweifel an der Wirksamkeit von Impfungen aber nicht zentral für linke Diskurse ist. Obwohl impfkritische Diskurse auf den ersten Blick links argumentieren, z. B. in dem pharmaindustriekritisch argumentiert wird, sind sie im wesentlichen verschwörungstheoretisch gestrickt und damit der Theorie der Klimalügenverschwörung der Rechten sehr ähnlich.
Versuche,etwas wie ein partisan brain, das Linke und Rechte gleichermaßen kennzeichnet zu konstruieren, fallen somit in sich zusammen und werden ihrerseits als motivated reasoning erkennbar. Affinität zu Verschwörungstheorien bleibt somit eher ein Spezifikum schlampigen rechten Denkens.

* Das State Policy Network ist ein Dienstleister für Institute, die in den amerikanischen Bundesstaaten eine republikanische Forschungsagenda verfolgen. Das Network stellt Managementdienstleistungen für die Betreiber vor Ort zur Verfügung, so dass die Institute in den jeweiligen Staaten sich als „fiercely independant“ bezeichnen können.

** Das Institut steht für eine so fast nur in den USA zu findende Idee „politischer Wissenschaft“, politisch insofern, dass sich das Institut von vorneherein politisch verortet. Das macht in einem Land, in dem es solche Listen im Netz gibt Sinn.