Etablierte InterpretInnen in Medien, Politik, Kultur und Wissenschaft seien ratlos, wenn es um eine seriöse Analyse des Populismus geht, meint die Redaktion von Forum Wissenschaft der Mitgliederzeitschrift des BdWi im Editorial der ersten Ausgabe dieses Jahres. Alle würden darüber reden, niemand wisse aber wirklich, wie damit umgehen. Das mag für Medien Politik und Kultur stimmen, für die Politikwissenschaft lässt sich diese Behauptung nur unter Schwierigkeiten aufrechterhalten, man muss sich schon auf den Standpunkt stellen, die bisher von AutorInnen wie Karin Priester oder Jan Werner Müller vorgelegten Analysen seien ihrerseits ratlos und unseriös und würden nur wenig Anhaltspunkte dafür entwickeln, wie Strategien im Umgang mit Populismus aussehen könnten. Allerdings ist der größte Teil der politikwissenschaftlichen Perspektiven in Bezug auf Populismus nicht neutral, in dem Sinne, das sie Populismus als eine in Betracht kommende Form des Politischen sehen würden. Insbesondere von Jan Werner Müller dem in den letzten Monaten medial präsentesten über Populismus forschenden Politikwissenschaftler wird Populismus wegen seines Anspruches, alleine das echte Volk zu vertreten als Gefährdung der Demokratie zurückgewiesen. Populismus ist für Müller dadurch gekennzeichnet, dass er immer moralisierend (gutes Volk vs. Böse Eliten) und immer monistisch ist. Gegner des Populismus werden dem populistischen Akteur nach Müller zu einerseits unechtem Volk und deshalb andererseits illegitimen Akteur. Demokratischer Pluralismus lässt sich so nicht machen, Politik im Sinne des Findens bester Lösungen ebensowenig, denn der Populist weiß ja, was das wirkliche Volk will, wer was anderes will, gehört der populistischen Logik zufolge nicht zum Volk, Auseinandersetzung mit Politikinhalten oder Wettstreit von Ideen wird vor dem Hintergrund einer solchen Logik entbehrlich.
In besagtem Forum Wissenschaft Heft wird der Gegenstand mit drei Artikeln angegangen. Der Ansatz der Redaktion kann dabei stellvertretend für den im wissenschaftlichen Umfeld der Linkspartie dominierenden Diskurs genommen werden, der versucht, populistische Politik als eine Kritik liberalen Rationalismus zu formulieren und in einem linken Populismus eine Art Korrektivfunktion in Bezug auf die Demokratie zu erkennen vermeint. Dirk Jörke und Veith Selk Politkwissenschaftler von der TU-Darmstadt wollen ausgehend von einer an Laclau und Mouffe geschulten Position „Populismus verstehen“, nicht verurteilen, was sie nahezu allen anderen Analytikern des Populismus vorwerfen. Christina Kaindl Referentin für Strategie und Grundsatzfragen beim Parteivorstand der Linkspartei will Populismus nutzen und der emeritierte Marburger Soziologe und Lateinamerikaspezialist Dieter Boris will „Aspekte des Linkspopulismus“ diskutieren (der Text ist in einer weitgehend identischen Version mit identischem Titel hier verfügbar). Den ersten Text von Jörke und Selk werde ich hier am ausführlichsten referieren, weil er einen theoretischen Ausgangspunkt darstellt und damit auch den Punkt markiert, an dem die anschließend praktischer orientierten Analysen von Kaindl und Boris an- bzw. aufsetzen.
Jörke und Selk werfen KritikerInnen populistischer Politikformen vor, dass sie Populismus als eine Bedrohung für die Demokratie sehen und, dass sie sich von vorne herein auf die Seite des vermeintlich normativ Richtigen stellen und überhaupt nicht danach fragen, warum sich Populismus entwickelt (diese Frage ist aus einer Art Mouffschen Impuls motiviert und knüpft daran an, dass Populisten an irgendwie berechtigten sozialen Belangen oder Forderungen anknüpfen würden). So würde Jan Werner Müller populistische Parteien einfach als paranoid bezeichnen und halte Populismus nicht für ein nützliches Korrektiv. Folge von derlei Urteilen sei eine moralisierende Debatte, die lediglich zwischen guten Demokraten und bösen Populisten unterscheide.
Jörke und Selk wollen all das nicht, sondern die Entstehungshintergründe von Populismus verstehen, sagen sie, dann könne man nämlich Populismus als Warnsignal in der Demokratie deuten. Das setze, meinen sie, eine Verabschiedung von einem deliberativen, liberalen Politikverständnis voraus. Sie setzen sich damit in Beziehung zu einer Debatte, die angesichts aktueller politischer Entwicklungen von einer Krise des liberalen politischen Denkens und liberaler politischer Theorie ausgeht.
Populismus sei ein affektiver Begriff, der Emotionen wecke, setzen sie fort; den Populismusbegriff nüchtern zu verwenden falle schwer, dennoch setze er einen analytischen Mehrwert frei, weil Populismus nicht nur Problem, sondern eben auch Problemindikator sei. Populistischer Politik gehe stets eine Entfremdungserfahrung voraus, eine Erfahrung, die eine populistischen Moment erzeuge. Zu dieser Entfremdungserfahrung komme es, weil es eine Differenz von politisch aktiver Elite und Teilen der Bürgerschaft gebe, eine Differenz, die durch Repräsentationsbeziehungen nicht zu überbrücken sei. Die Differenz betreffe grundlegende Werte und die Art, wie man der Welt begegnen solle, welche Lebenschancen gesehen werden und wer das Sagen haben sollte versucht sie zu konkretisieren. (Nach Lektüre von Jan Werner Müllers Essay hätte man wissen können, dass diese Differenzerfahrung zwischen Regierten und Regierenden keineswegs neu und keineswegs erst seit heute existiert und dass die Vorstellungen die Nachkriegsdemokratien seien so demokratisch und volksnah gewesen empirisch nicht belegbar ist).
Populismus sei durch dünne Ideologie gekennzeichnet, und unterscheide sich dadurch z. B. vom Sozialismus, Konservatismus oder Liberalismus heißt es dann weiter bei Jörke und Selk. Stattdessen stelle er eine bestimmte Form der Auseinandersetzung dar, die auf eine dualistische Strukturierung des politischen Raums abziele. Die Dualität sei einfaches Volk und Elite, im Rahmen dieser Dualität sei die Elite böse und bestehle das gute Volk, Jörke und Selk nennen das moralistische Aufgeladenheit. Weil populistische Parteien auch über Parteieliten verfügen müssten, sei dem Populismus eine inhärente Spannung aus direkter Demokratieorientierung und hierarchischen Organisationsstrukturen mit charismatischen Politikern nebst der Missachtung demokratischer Verkehrsformen zu eigen. Zudem sei Rechtspopulismus antipluralistisch ausgerichtet. Für Linkspopulismus scheinen sie diesen Antipluralismus aus unerklärten Gründen nicht anzunehmen.
Dieser oben beschriebene populistische Moment existiere jetzt gerade in den westlichen Demokratien, wegen der Spaltung zwischen Modernisierungsgewinnern und -verlierern. Damit sei die fortschreitende Modernisierung der Gesellschaft mit ihren Individualisierungs-, Differenzierungs- und Fragmentierungstendenzen ursächlich; außerdem gebe es undurchsichtige Verhandlungsregime jenseits der nationalen Öffentlichkeiten.* Insbesondere die linken Parteien und Bewegungen hätten durch ihre Moralisierung der Öffentlichkeit, die Artikulation „einiger“ politischer Konflikte (konkreter werden sie nicht) verhindert und damit zur Entstehung des populistischen Moments beigetragen. Die Linke habe einerseits geradezu inflationär Rassismusvorwürfe vorgebracht, andererseits die Frage ökonomischer Ausbeutung nur stiefmütterlich behandelt. Diese Hinwendung der Linken zu einem kulturellen Liberalismus habe den Liberalismus hegemonial gemacht und insgesamt und zu einer Vermählung von kulturellem und ökonomischem Liberalismus beigetragen. Sozialkonservative Linke seien den linken Parteien deshalb verlorengegangen und es sei nicht verwunderlich, wenn sich die populistischen Parteien in Richtung einer neonationalistischen, illiberalen Sozialdemokratie entwickeln würden.
Kern der (parlamentarischen) Demokratie schließlich sei es, meinen Jörke und Selk, dass die Herrschaftsunterworfenen der Herrschaft in irgendeiner Weise zustimmen, sei es durch die Wahl einer im politischen Spektrum etablierten Oppositionspartei. Populisten aber würden diese Art der Zustimmung verweigern, deshalb dürfe man Populismus nicht als pathologisch denunzieren, vielmehr müsse man ihn als Ausdruck des verbreiteten Unbehagens an der derzeitigen Demokratie ernst nehmen. Dies scheint mir ein Kernpunkt von Jörke und Selks Populismustheorie zu sein und gleichzeitig der primäre Differenzpunkt zu Jörke und Selk, denn m. E. ist Populismus mehr und etwas anderes als bloße politische Zustimmungserweigerung und auch die Konstruktion einer Wir-Die-Konstellation reicht noch nicht aus, um von Populismus sprechen zu müssen. Zustimmungsverweigerung zur Praxis der Politik würde als Indikator für Populismua auch gar nicht ausreichen, die hatte schließlich die außerparlamentarische Linke nach 1969 oder die Ökologiebewegung nach 1975 auch nicht erbracht, stattdessen hatte sie sich Gegenöffentlichkeiten und -strukturen geschaffen, Öffentlichkeiten und Strukturen, die allenfalls oberflächliche Ähnlichkeiten zu denen des Rechtspopulismus heute aufzuweisen hatten.
In den letzten Jahren sei es zu einer kosmopolitischen Überdehnung gekommen, die weniger demokratisch als liberal sei, meinen Jörke und Selk weiter unten im Text. Mit vorherrschender liberaler und deliberativer Theorie könne man Populismus nicht begegnen. Die diesen Theorien innewohnenden Grundelemente, dass politische Akteure gleich seien und dass politische Entscheidungen auf rationaler Grundlage getroffen werden sollten, seien Fiktionen, die die politische Wirklichkeit in den westlichen Demokratien verzerrt darstellen würden. Der weitgehenden medialen Ablehnung des Populismus sei ihrerseits ein populistischer Zug eingeschrieben.
Wie aber solle man auf den Populismus reagieren fragen Jörke und Selk zum Schluss des Textes. Man solle ihn als Warnung verstehen (sagen sie im vorliegenden Text zum wiederholten mal), mehr gehe wegen der Unbestimmtheit des Populismus ohnehin nicht und linke Parteien sollten ihn zum Anlass nehmen, wieder mehr „ökonomische und politische Herrschaft zu thematisieren“.
Auch Christina Kaindl hat sich entschieden einen zentralen Bestandteil der Populismusdefinition Müllers (den monistischen Aspekt) zu ignorieren. Bei ihr fällt Populismus und Wir-Konstruktion in eins, deshalb lehnt sie die z. B. von Autoren wie Albrecht von Lucke u. a. vertretene These, Linkspopulismus sei wegen seiner logischen Selbstaufhebung unmöglich ab. Sie will – so scheint es – die politischen Energien, die den Rechtspopulisten derzeit zur Verfügung zu stehen scheinen für die Linke anzapfen, ihr geht es um die Wir Konstruktionen, die anders als die der Rechtspopulisten von links kommen sollen und mit emanzipativen Inhalten befüllt werden könnten. Von den Inhalten abgesehen sehe ja vieles bei Bernie Sanders oder Podemos gleich aus wie bei den Rechtspopulisten meint sie. Kurz gesagt will sie die Erfahrungen der Arbeiterklasse (so wörtlich), die sie in der vorherrschenden Politik zu wenig berücksichtigt sieht, zur Geltung bringen. Es sollen Wir-Konstruktionen angeboten werden, die „quer zu den Spaltungslinien von Niedriglohn und Rassismus liegen“, Progressivität soll sich dabei über gemeinsame Kämpfe herstellen. In diesen Kämpfen – raunt sie – sollen die „Erfahrungen der Unteren zu Gehör gebracht werden“. Politik ist ihr (Klassen-)Kampf, wobei sie den Begriff der Klasse auf die Höhe der Zeit bringen will. Unter diesen pathetischen Formeln von Unteren, Klassen und Kämpfen scheint sie das Positive von Populismus fassen zu wollen. Kaindl steht damit auf Basis der von Chantal Mouffe vorgeschlagenen Agonistik, bzw. agonistischen Politik, die wiederum auf Ernesto Laclau zurückgeht. Das agonistische Politikmodell grenzt sich von einem agregativen, interessenbezogenen und von einem deliberativen Politikmodell ab, und beansprucht für sich Emotionen in Politik einbeziehen zu können (was an sich nicht prinzipiell falsch sein muss, es müsste nur sichergestellt werden, dass das mehr als Betroffenheitsfühlen oder gar Ressentiment ist). Nur wenn man sich das Politische in seiner antagonistischen Form vor Augen führe, könne man die richtigen Fragen stellen, sagt Mouffe. Es gehe nicht um Kompromiss oder Rationalität, sondern darum, auf welche Art und Weise dem Wir/Sie-Gegensatz Gestalt gegeben werde. Ich muss gestehen, dass ich nach Lektüre dieser Sätze (auf S. 31 des Suhrkamp Essaybandes Agonistik. Die Welt politisch denken, Ffm. 2014) das Interesse verloren habe. Mir ist nicht begreiflich, wie auf einer solchen Grundlage eine Aufnahme wissenschaftlichen Wissens in den politischen Prozess möglich sein soll.
Auch Boris arbeitet sich an der Gleichsetzung von Rechtspopulismus und Populismus ab. Auch er unterlässt eine Auseinandersetzung mit dem Kern der Müllerschen Populismusdefinition dem Alleinanspruch in Bezug auf die Vertretung des Volkes, stattdessen kann er Müller seinerseits so was wie falsches Bewusstsein unterstellen. Die z. B. auch von Alfred von Lucke vertretene These, „Linkspopulismus sei ein Widerspruch in sich, weil Populismus per definitionem antipluralistisch sei“, lehnt er ohne weitere Begründung ab. Jan Werner Müller schließlich schreibt er die Behauptung zu, Linkspopulismus beruhe notwendigerweise auf einer undifferenzierten und letztlich falschen Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit, die überdies auf antagonistische Zuspitzungen und emotionale Mobilisierungseffekte abstelle und deshalb letztlich scheitern müsse. Die meisten, meint Boris, würden sich ohnehin nicht mit konkreten Entstehungszusammenhängen von Populismus beschäftigen, stattdessen von Diskursen, Anführern und Symbolik reden. Das klingt ein wenig nach marxistischer Kritik eines bürgerlichen Intellektualismus. Linkspopulismus ist ihm nun als eine politische Bewegung, die eine Sammlung unterschiedlicher Elemente subalternen Klassen anstrebt oder realisiert zu verstehen. Jedenfalls wichtiges Element, so Boris, scheine „das Beharren auf größtmöglich egalitären gesellschaftlichen Verhältnissen zu sein“, in Ländern des Südens komme ein nur allzu verständliches Beharren auf nationale Souveränität hinzu. Populismus – so scheint es – ist für Boris wie schon bei Jörke und Selk eine Art Container, den es mit Inhalten zu füllen gilt, auf diese Inhalte kommt es ihm an. Anders als die Autoren des ersten Aufsatzes geht Boris weniger in die politikwissenschaftliche Theorie, sondern scheint sich eher als Berater linker Bewegungsaktivität zu verstehen der Beispiele und Zugänge präsentiert.
Nach Lektüre der drei Texte stellten sich für mich vor allem Fragen und zugegebenermaßen etwas Verwunderung ein. Verwunderung deshalb, weil keiner der AutorInnen sich mit dem Monismusproblem, das dem Populismus inhärent zu sein scheint, auseinandersetzt. Jörke und Selk weichen auf einen Nebenplatz aus und kehren den Moralismusvorwurf gegen die Kritik des Populismus, Kaindl und Boris gehen auf den Aspekt überhaupt nicht ein. Gerne hätte ich zumindest gewusst, wie sich ein der Linkspartei nahestehender Diskurs dazu positioniert.
Zum zweiten verblüffend an allen Texten, resp. am Gesamtbild, das sich aus ihrer Lektüre ergibt, ist die altertümliche Anmutung der politischen Perspektive. Nichts an dem Blick der durch die Linse der Texte fällt ist auf dem Stand des frühen 21. Jahrhunderts, alles hingegen weist auf eine Gesellschaftsperspektive, die eher zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu passen scheint. Dazu passt, dass der von Jörke und Selk eingeführte populistische Moment ein Konzept ist, das auf Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gemünzt war. Politik ist Kampf um Hegemonie, ein Ringkampf der Klassen. Die an Mouffe geschulte antagonistische Konzeptualisierung von Politik, der alle AutorInnen der besprochenen Texte anhängen versucht die Geordnetheit der Klassengesellschaften der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die damit verbundene analytische Tauglichkeit des hergebrachten Links-Rechts-Schemas zurückzuholen.** Die anachronistische Anmutung der Debatte stellt sich für mich deshalb ein, weil alle Texte so tun, als hätte es eine ökologische Krise nie gegeben, bzw. als gäbe es sie nicht, so frappierend ist das Desinteresse, dass alle Texte zu den stofflich/dinglichen Nebeneffekten des Politischen aufbringen. Ebenso fehlt in allen Texten eine Auseinandersetzung mit nationalen Spielarten sozialistischer Politik (insbesondere vom Lateinamerikakenner Boris hätte ich mir das vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Venezuela gewünscht).
Zum Schluss stellt sich für mich noch die Frage, ob es so etwas wie einen Grünen Populismus geben kann. Frage ist dann, ob der Gedanke eines Populismus ökologischer Politik Sinn machen könnte. Implizit ist die Frage allein schon mit der Bemerkung, dass ein ökologischer Monismus bei aller ja immer noch möglichen naturwissenschaftlichen Richtigkeit seiner umweltpolitischen Inhalte in einer Demokratie nicht möglich ist, beantwortet. Ökologischer Populismus oder Ökopopulismus wäre dann (wie gesagt die eben genannte demokratietheoretische Überlegung beiseite lassend) ein politischer Zugang, der eine Grenze von Volk und Nichtvolk, gutem Volk und schlechten Eliten entlang umweltspezifischer Verhaltensweisen wie Fliegen oder Autofahren ziehen würde. Nähme an diesen Gedanken ernst scheitert der Ansatz allein schon daran, dass die Dualität, die man für diesen Ansatz braucht, sich nicht sauber genug konstruieren lässt.
Gleichwohl benutzen Leute Begriffe wie Ökopopulismus oder Grünen Populismus. Eine (zugegebenermaßen schlanke) Onlinerecherche ergibt, dass es die besagten Begriffe online tatsächlich gibt. So meint Kai Schmalenbach auf einer Webseite der Piratenpartei NRW, es sei von Seiten der Grünen ökopopulistisch bis 2030 die Zulassung von PKW mit Verbrennungsmotor nicht mehr zulassen zu wollen und gleichzeitig in der Koalition auf Landesebene den Weiterbetrieb von Braunkohletagebauen zu dulden. Sigmar Gabriel warf als Wirtschaftsminister Greenpeace Ökopopulismus vor berichtet die Welt, weil Greenpeace die Schließung von Kolhekraftwerken verlangten und auf der Achse des Guten spricht ein Hannoveraner Pflanzengenetiker von 30 Jahren postfaktischem Ökopopulismus, er meint damit die von ihm nicht so sehr geschätzte Kritik der Grünen Gentechnik. Allen hier zitierten Rahmungen von Ökopopulismus ist gemein, dass seine Urheber offenbar Populismus durch Zustimmungserheischung und Simplifizierung konstituiert sehen. Vor dem Hintergrund politikwissenschaftlicher Überlegungen ist wiederum dies eine unzulässige Simplifizierung.
Etwas mehr Mühe gibt sich Fred Luks, er ist Nachhaltigkeitsökonom und hat eine Art Glossar des Ökopopulismus vorgelegt (das Buch ist hier von Robert Misik besprochen). Luks arbeitet sich darin an Nachhaltigkeitsvorstellungen ab, die an der demokratischen Gesellschaft und Politik verzweifeln und deshalb der umweltpolitischen Effektivität willen mit asiatischen und insbesondere chinesischen Konzepten des Tough Governement liebäugeln, dem setzt er eain Beharren auf demokratische Formen der Abstimmung entgegen. Auch bei Luks scheint es eine Verwechselung von Populismus und Politikvereinfachung zu geben. Aus politiktheoretischer Perspektive hilft damit eine Internetrecherche in Sachen Ökopopulismus nicht weiter.
Ein ökologischer Linkspopulismus scheint vor dem Hintergrund der oben angestellten politiktheoretischen Überlegungen allerdings sinnlos. Allein schon deshalb, weil alle Formen des Populismus politisch nicht allzu faktenstark ausfallen können. Politikfelder, die auf eine fachliche Durchdringung oder zumindest ein selektives Verständnis von Forschungsfeldern angewiesen sind, lassen sich von populistischem Politikverständnis herkommend nicht erschließen. So macht populistische Forschungspolitik erkennbar keinen Sinn, es sei denn man hält es für eine Option, Forschungsresultate großflächig zu ignorieren oder ganz in Frage zu stellen. Damit würde jegliche populistische Politikoption, demokratietheoretische und moralische Überlegungen beiseite gelassen, allein schon aus Gründen politikfeldspezifischer Impraktikabilität ausscheiden. Gravierender aber scheinen mir die sogenannten moralischen Überlegungen. Bis heute hat auch keine explizit nichtliberale Politikkonzeption den Nachweis zu erbringen vermocht, dass sie emanzipative gesellschaftspolitische Errungenschaften zu schützen und dabei zu helfen vermag, sie weiterzuentwickeln. Allein das sollte ausreichen, populistische Politikangebote abzulehnen.
*Der Begriff des populistischen Moments geht auf den amerikanischen Historiker Laurence Goodwyn zurück, der ihn in seiner Monographie The Populist Moment. A Short History of the Agrarian Revolt in America 1978 vorgestellt hat. Goodwins populärer Moment war auf die amerikanischen Kleinbauern gemünzt, deren Welt durch Verbreitung der Eisenbahn und das Einströmen städtischen Kapitals in die rurale Ökonomie unterging. Ein ausführlicher Review des Buches steht hier.
**Zur Mechanik dieser intellektuellen Operation gibt es Hinweise in einem etwas älteren Text von Zizek, man kann ihn hier finden.