In der Zeit Ausgabe der letzten Woche fand sich eine Reaktion auf die von Hochschulwatch vorgebrachte Drittmittelkritik in der Zeit. Man ließ zwei Schwergewichte der (im weiteren Sinne) hochschulpolitischen Debatte zu einem Pro und Contra Drittmittel antreten: den als Eliten- und Studiengebührenkritiker bekannt gewordene Ungleichheitsssoziologen Michael Hartmann und den HRK-Präsidenten Horst Hippler. Die zu debattierende These war mit der etwas reißerischen Überschrift „Werden die Hochschulen zu Sklaven der Wirtschaft?“ überschrieben. Die Pro-, also Contra-Drittmittel-These durfte natürlich Michael Hartmann vertreten. Er verwies zunächst darauf, dass der Anteil der Drittmittel an der Hochschulfinanzierung immer größer wird, er stieg zwischen 1995 und 2012 von 13,6 auf 29,2 %. Betrachte man nur die Forschung – so Hartmann – dann sei der Drittmittelanteil gar noch größer und dürfte von einem auf mehr als zwei Drittel gestiegen sein. Wie er das rechnet und wie er mit dem Problem umgeht, dass Forschungskosten in Hochschulen schlecht von anderen Kosten insbesondere Personalkosten getrennt werden können, lässt seine Aussage schwierig erscheinen.
Sodann trägt er das Argument vor, dass, wer Drittmittel aus der Wirtschaft einwerben wolle, dieser zu Willen sein müsse, was selten (aber eben manchmal doch) in wissenschaftlichem Fehlverhalten münde, zumindest aber doch zu einer Konzentration auf wirtschaftlich verwertbare Forschung führe. Verstärkend käme hinzu, dass leistungsbezogene Mittelverteilung die Effekte von Drittmitteln verstärke. Sodann benennt er noch das Problem der Einflussnahme durch Stiftungsprofessuren und das der von WirtschaftsvertreterInnen in den Hochschulräten. Hartmann arbeitet – wie man hier sieht – die von Hochschulwatch vorgebrachte Kritikliste ab und macht sie sich zu eigen.
Hippler sieht das natürlich alles ganz anders. Er beklagt zunächst, dass ein Generalverdacht umgehe: nämlich der, dass jede Kooperation einer Hochschule ein Indiz für eine Abhängigkeit der Wissenschaft von der Wirtschaft sei. Dabei sei es doch etwas ganz normales, ja Gutes, dass WissenschaftlerInnen an denselben Problemen interessiert sind, an denen auch die private Wirtschaft interessiert ist. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, bräuchten die Hochschulen auch Kooperationspartner in der Wirtschaft. Die kritisierten Hochschulräte seien doch ihrerseits eine Antwort darauf, dass die Universitäten als Elfenbeintürme kritisiert worden seien. Wirtschaftliche und wissenschaftliche Wettbewerbsfähigkeit würden einander unmittelbar bedingen – so Hippler – wozu es aber nicht kommen dürfe, sei Abhängigkeit, aber zumeist kämen Hochschulen in hervorragender Weise ihrer Verantwortung nach. Erst nun kommt Hippler zum Vorwurf der steigenden Drittmittel, sagt aber, das dürfe man nicht pauschal beklagen, weil, und hier macht er sich eine Schwäche von Hartmanns Argument zunutze, der Anteil der Wirtschaft hieran gar nicht so hoch sei. Der weitaus größte Teil der Drittmittel komme nämlich aus staatlichen Quellen, der Anteil der Wirtschaft an der Forschungsförderung liege letztlich nur bei 10 %.
Soweit die Argumente in Sachen Pro und Contra, die natürlich immer nur genrebedingt verkürzt sein können. Dennoch: Erstaunlich, was hier alles fehlt. Hartmann kann nicht überzeugen, weil er auf einer politischen und einer Makroebene verbleibt und Hippler deshalb nicht, weil er nichts als Affirmation will. Hartmanns Zahlen können schon deshalb nicht überzeugen, weil sie – wie schon oben gezeigt – vage bleiben müssen, und auch die Antwort schuldig bleiben, wie ein Anteil von 6 bis 10 % an den Hochschulfinanzen dafür sorgen soll dass Hochschulen zu „Sklaven der Wirtschaft“ werden, d. h. auf der Ebene der Zahlen geht der Punkt an Hippler.
Nur, Probleme gibt es ja doch, allerdings kann man die eigentlich erst so richtig durch eine organisations- und wissenschaftssoziologische Brille sehen. Ersteren hat Stefan Kühl ein Organisationssoziologe schon vor zwei Jahren in der Süddeutschen Zeitung angebracht. Kühl wendet sich der eigentlich guten Grundidee von Drittmitteln zu, die darin besteht, dass jemand eine Forschungsidee haben kann, für deren Umsetzung ihm das Geld oder die Zeit fehlt, er sich also jemanden sucht der Geld hat, um jemand anderen, der Zeit hat bezahlen zu können, demit dieser die Forschungsidee umsetzen kann. Gut sei diese Idee zudem auch deshalb, weil sie es ermögliche, teure Forschung in Universitäten stattfinden zu lassen, ohne dass in der Forschung ressourcenintensive Fächer die Ressourcen der anderen verzehren. Allerdings habe sich – so Kühl – im Laufe der Zeit eine Art Zweckumkehr entwickelt: Nicht die Ideen seien auf der Suche nach dem Geld, sondern das Geld auf der Suche nach Ideen. Das Vorhandensein von Geld wird damit zur Forschungsmotivation. So ist es ja auch bei all den Ausschreibungen von Forschungsprogrammen, man sucht nach Idee, die zu dem Geld passen, da wird auch etliches passend gemacht.
Ein weiteres Problem – so Kühl – sei die Gleichsetzung von Erfolg im Drittmittelgeschäft und guter Forschung. Die Crux liege nun darin, argumentiert Kühl weiter, dass man eigentlich die Grenzen von Kennzahlen kenne, man aber in Ermangelung anderen Wissens immer wieder auf diese zurückgreife. Eigentlich wisse man auch, dass das Vermögen, gute Forschungspläne zu machen und diese verkaufen zu können, etwas anderes ist als das gute Forschung zu machen, nur Folgen hätte dieses Wissen derzeit keine.
Ein drittes von Kühl benanntes Problem sind strukturelle Auswirkungen. Die bestehen aber weniger darin, dass WissenschaftlerInnen nach der Pfeife der Wirtschaft tanzen, als darin, dass Drittmitteleinwerbung gemäß einer aus der Entwicklungshilfe entstammenden Logik ja immer mit Vorleistungen des Einwerbenden verbunden ist. Diese Vorleistungen fehlen dann immer für anderes. Das kann dazu führen, dass ein Fachbereich, der an einem Exzellenzcluster beteiligt ist und zudem noch einen Sonderforschungsbereich hat, zu kaum mehr etwas anderem in der Lage ist, weil seine Ressourcen auf Jahre gebunden sind. Ob das gut für die Wissenschaft ist, steht in Frage. Sicher aber ist, dass eine solche Situation zu Konflikten zwischen den Fachgebieten führen dürfte.
Ein viertes Problem besteht darin, dass eine Steigerung von Drittmittelquoten die Projektifizierung der Forschung noch vorantreibt. Bereits heute ist es ganz schwierig, außerhalb einer wissenschaftlichen Diskussion, Forschung jenseits des Projektes überhaupt nur zu denken, geschweige denn vermitteln zu können. Das aber hat epistemische Folgen. Forschung kann nur noch zeitlich begrenzt, parzelliert, vordefiniert gemacht werden. Die wissenschaftliche Überraschung wird da eher zu einer unangenehmen. Risiko geht man besser nicht ein. Wie sehr das unsere Wissensentwicklung limitiert, ist heute noch gar nicht abzusehen.
Was also sollte politisch passieren? Zum einen – denke ich – Transparenz. In dieser Hinsicht ist der von Hochschulwatch vertretenen Einschätzung uneingeschränkt zuzustimmen. An dieser Transparenz sollte eigentlich auch die Hochschulen ein Interesse haben, die Fördererseite vielleicht manchmal etwas weniger, aber wenn sich alle Hochschulen am Transparenzziel orientieren, kann es auch keinen Vorteil für Hochschulen geben, die das nicht so tun. Transparenz sollte es ebenfalls bei den Stiftungsprofessuren geben. Wenn denn Hipplers Behauptung, dass die weitaus meisten Hochschulen sich hier sehr verantwortlich verhalten, stimmt, dann kann Offenlegung kein Problem sein. Warum es trotzdem Hochschulmanager gab, die angesichts der Veröffentlichung von Hochschulwatch der Auffassung waren, Hochschulwatch habe das Ansehen der Hochschulen beschädigt, verstehe ich nicht.
In Bereichen wo es besonders gut läuft zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, dort wo Vernetzung in Verfilzung übergeht (Agrar- und Pharmaforschung z. B.) scheint es mir geboten, bei Stiftungsprofessuren noch etwas genauer hinzusehen. Das gilt m. M. auch bei politischen Stiftungsprofessuren, wie z. B. der in Vorbereitung befindlichen Kissinger Stiftungsprofessur an der Universität Bonn. Ein Verzicht auf Transparenz würde das Instrument Stiftungsprofessur nennenswert beschädigen.