Der kleine Text ist symptomatisch für Stagnation der Deutschen Debatte zu Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft.[1] In FAZ-Forschung und Lehre gestern durften sich fünf Mitglieder des Netzwerks für gute Arbeit in der Wissenschaft mal so richtig auskotzen, dass bei der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes mal wieder nichts Rechtes rauskommen wird. Und sie haben ja recht, das BMBF will eigentlich nicht, die HRK auch nicht. Deshalb wartet das BMBF ab, was so passiert und hat die HRK einen Vorschlag vorgelegt, der niemandem hilft. Die Gewerkschaften verkünden wie üblich, dass sie Entfristung wollen, eigentlich ist alles wie immer, alle sind auf genau den Positionen auf denen sie immer stehen. Es ist wie eine bekannte, vertraute Familienaufstellung. Aus der der Text nicht heraushilft, das auch gar nicht will, deshalb plätschert er aus mit einer Reihung gar nicht mal so falscher Aspekte: Promovierte sollten nicht auf Dauer in Abhängigkeit gehalten werden (check!), Tenure Track könnte als Erprobungsstelle fungieren, von der man schnell in verantwortliche Positionen gelangen aber auch scheitern kann (check!). Dann würde er eine „antizyklische Maßnahme zur überfälligen Reanimation und Sicherung von Wissenschaftsfreiheit darstellen“ (steht wörtlich so da, ?), denn aktuell stehe und falle selbige damit, dass Zehntausende „wissenschaftlich Beschäftigter“ endlich solide Berufsperspektiven erhalten. Die Selbständigkeit, die sie schon jetzt in den „verbauten Verhältnissen der Gegenwart zeigen, könnte sich dann jenseits eingefahrener Gleise bewähren. Wer da was wie machen soll, steht dann da leider nicht. Insofern bleibt der Text in schlechtem Sinne unpolitisch, weil er sich nicht dafür interessiert, wie man von den „verbauten Verhältnissen“ des Jetzt zu den gedeihlichen einer Zukunft kommt.
Was die Autor*innen des Textes aber ziemlich genau wissen und, was sie interessiert ist das, was sie nicht wollen. Das Tenure-Track-Modell der HRK das wollen sie nicht, zurecht, deshalb lassen sie sich ausführlicher dahingehend ein, warum und wie der Tenure-Track und Tenure an amerikanischen Universitäten eine Aushöhlung erfährt. Dann aber suggerieren sie auch, als gebe es zwischen den Vorschlägen von Hochschulrektorenkonferenz und Junger Akademie eigentlich gar keinen erwähnenswerten Unterschied, als ginge es allen außer ihnen um nichts anderes als Narrative für das Installieren langer Bewährungsphasenabfolgen zu installieren. Den Vorschlag der JA für fortgeschrittene Karrierphasen andere Beschäftigungskonstruktionen als die Forschungsprofessur vorzusehen, deuten sie dahingehend um, dass die JA selbst für unbefristete Mitarbeiter*innenstellen eine Tenure Track vorsehen wolle. Sie verkennen dabei zum einen, dass zum einen ein zur Forschungsprofessur führender Tenure Track für alle ohnehin keine Option ist und zum anderen der Vorschlag der Akademie auch als eine Reaktion auf die spezifische Verarmung der Professor*innenrolle zu sehen ist. Ohne es zu bemerken, wiederholen sie damit den typisch deutschen Fehler, in der Forschungsprofessur die einzig seligmachende und erstrebenswerte dauerhafte Beschäftigungsposition im Wissenschaftssystem zu sehen.
Auch deshalb müssen sie der JA eine Motivlage unterschieben und raunen, dass das ja schließlich auch die 50 Privilegierten seien, die sich eh berechtigte Hoffnungen machen könnten eine der raren Professuren erringen zu können. Der HRK nicht so schöne Motivlagen zu unterstellen ist einfach und vermutlich zutreffend, beim Hochschulverband liegt man damit vermutlich auch nicht falsch, aber bei der JA sollte man etwas genauer sein, wenn man sich deren Vorschläge vom Leib halten will, schießlich waren sie bislang die Einzigen, die einen Reformkonzepttext vorgelegt hatten der Hand und Fuß hat und über das übliche wissenschaftsbetriebspolitische Gerede hinausweist. An der Stelle bekommt es der, erkennbar als Gruppenarbeit verfasste Text nicht wirklich gebacken und hat dann auch nicht wirklich einen brauchbaren Vorschlag, wie es weitergehen kann. Im Ergebnis ist das schade, weil man so ein historisches Zeitfenster, das sich, wenn es blöd läuft, schnell schließen dürfte, ungenutzt lässt. Denn es ist davon auszugehen, dass angesichts haushalterischer Restriktionen eine wissenschaftspolitische Schrumpfungsdebatte ins Haus stehen wird. Traditionell sind Zeiten solcher Debatten schlecht, Reformen wissenschaftlicher Personalstruktur anzugehen.
[1] Lisa Janotta/Thomas Kirchner/Alvaro Morcillo-Laiz/Britta Ohm/Tilman Reiz (2022): Willkommenin Dauer-Assessment; in: FAZ-Forschung und Lehre vom 19. Oktober, S. N4, vermutlich derzeit nur via Paywall zugänglich.