Die Reform, die nicht gelingen will

Jetzt ist er also da der Entwurf zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz und es ist, Überraschung, wieder nichts. Drei plus vier plus zwei Jahre plus irgendwas oder auch nicht, es ist eigentlich auch egal, denn eine Reform, die an Symptomen rumlaboriert aber den Kern des Problems nicht anzupacken vermag, die kann halt auch kaum was werden. Ob vier plus irgendwas einer Verbesserung zu den zwei Jahren aus dem infamosen Eckpunktepapier sind, ich weiß es doch auch nicht, auffällig aber ist, dass der vorgelegte Entwurf ein Alleinentwurf des BMBF ist (keine der anderen Ampelparteien ist mitzeichnend dabei) und auffällig ist zudem, dass in Hinblick auf die Aspekte, die aus der Reform was Wirksames hätten werden lassen können, keine Einigung möglich war. Der Entwurf selbst ist dann auch kaum der Rede wert, er ist durchtränkt vom haustypischen Opportunismus, wie wir ihn vom BMBF kennen, die haben einfach gemacht, was ihnen HRK und Forschungsallianz eingeplustert haben und was vorgelegt, was diesen Organisationen kommod ist.

Es lohnt, nochmal zurückzublicken, wie das alles angefangen hat. Bis vor etwas mehr als 20 Jahren gab es eine Stellenstruktur auf Basis von Bundesangestelltentarif BAT und Verbeamtungen. Auf fünf Jahre Promotionsstelle folgte im Erfolgsfall eine Verbeamtung auf Zeit auf 6 Jahre. In diesen 6 Jahren sollte Berufungsfähigkeit erreicht werden. Das ganze System war auf die Professur als Alleinziel ausgerichtet und kam aus der Zeit kurz nach oder um das Ende der Bildungsexpansion der 1970er Jahre. Daran wurde um das Jahr 2000 herum rumgeschraubt, es gab immer mehr Drittmittel einerseits, andererseits war es unpraktisch, die Stellenhülsen für die sechsjährigen C1 besorgen zu müssen, Zeitbeamtenstellen sahen auch irgendwie mottig aus, man tauschte sie im Zuge des Übergangs vom BAT zu TVL etc. aus durch moderner anmutende Angestelltenstellen. Plötzlich hatte man eine Masse an formal gleichen Stellen für alle und konnte sie dann auch noch Herzenslust splitten und panaschieren.

Und dann kam das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, denn insbesondere der gewerkschaftliche Blick hatte zurecht moniert, dass Befristen im Laufe der Jahre nach der Wende immer mehr um sich gegriffen, immer wildere Formen angenommen habe. Diese Leute im Umfeld der damaligen Bundesministerin Edelgard Bulmahn nahmen an, dass, wenn man den Universitäten das Befristen konditionieren würde, diese deshalb darauf verzichten und mehr Dauerstellen einrichten würden. Wie wir heute wissen fanden die Universitäten, kreativ, wie sie sind, einen Weg, diese Art Druck gegen die wissenschaftlichen Beschäftigten zu kehren. Was gedacht war, Organisationen zu einem anderen Gebaren zu nudgen, wurde von den betreffenden Organisationen in ein individuelle einschneidendes Damoklesschwert gegen die gespint, die Forschen und Lehren wollten.

Dies war auch unter anderem deshalb möglich, weil der Gewerkschaftsblick nie verstanden hatte, dass wissenschaftlich Arbeiten kein Arbeiten wie jedes andere ist. Geholfen hat auch ein verwalterischer Blick, der Wissenschaftler*innen mit zutiefster Missgunst und ebensolchem Misstrauen begegnet und unterstellt, Leute würden da zu sehr ihrer Muße, ihren Interessen nachgehen. Und zum dritten geholfen hat natürlich ein Mindset derer, die Universitäten in de 1980er ind 1990er Jahren kennengelernt hatten und in jedem nichtprofessoralen Dauerstelleninhaber ein Problem, das es abzuräumen galt, sahen.

Diese motivische Gemengelage sorgte dafür, dass fast alle Beteiligten übersahen, was in den 1990er du 2000er Jahren, also in den Jahren der neoliberalen Mindsets, die dazu neigten, Ineffizienz und Staatlichkeit in einem Atemzug dahinzuhauchen, passiert war. Der BAT (s. o.) war durch neue Angestelltentarifverträge des Bundes und der Länder ersetzt worden, die vor allem die Interessen derer bedienten, die auf Dauer auf einundderselben Stelle blieben. Wer das Bundesland wechselte auf einer der in diesen Jahren immer mehr werdenden befristeten Stellen bei unterschiedlichen Universitäten oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen saß, war dumm dran und konnte bei Länderwechseln oder Beschäftugungspausen seine erreichten Erfahrungsstufen nicht mehr behalten. Und gleichzeitig war in der derselben Zeit der Drittmittelbetrieb erheblich ausgeweitet und auch immer mehr mit dem Grundmittelbetrieb verflochten worden, indem zum Beispiel forschungsleistungsbezogenen Grundmittelverteilungsschemata installiert worden sind. Und das Ganze war verbunden mit einer Arbeitsökologie, die Risiken personalisierte, Leute nach Zeitabläufen raussetzte und jenseits der Professur, die man verknappte und überhöhte, keine Professionalisierung entstehen lassen wollte.

Noch toxischer wurde all das durch mehr und mehr Geld, das ein auf der Suche nach Selbstwirksamkeit struggelnder Wissenschaftspolitikbetrieb in das System reinschüttete. Wie auch immer, jetzt sind wir in einem Reformenvironment, in dem man nichts richtige machen kann. Das haben Gutes wollende Wissenschaftspoltiktreibende zu spüren bekommen und wissen die nur ihre Interessen wahren Wollenden von HRK und Forschungsallianz weidlich auszunutzen. Schade das mit dem BMBF da ein vor allem opportunistisch agierender Akteur maßgeblich ist.

Anzugehen ist jetzt, wie das falsch abgebogene System wieder in eine richtige Richtung gedreht werden kann. Mein Vorschlag wäre, anders als Gewerkschaften, das in der Vergangenheit getan haben, Befristung weder zu skandalisieren noch zu bekämpfen, sondern sie als ein systemtypischen und in Teilen –notwendiges Feature des Wissenschaftssystems zu nehmen, das, was seine Folgen betrifft, eingehegt werden muss. Die mit ihr verbundenen Risiken müssen von den betreffenden Personen weg auf die Organisationen verlagert werden. Projektforschender sollte eine Dauerstellekategorie werden, denn wer eigene Projekte einwerben und durchführen kann, und das mehrfach erfolgreich erledigt hat, hat gezeigt, dass man ihn als Organisation auf eine unbefristete Beschäftigungsposition setzen kann.

Mindestentfristungsquoten sollten ein fester Bestandteil von Forschungsfinanzierung werden. Meinetwegen sollte sich DFG-Fähigkeit einer Universität daran festmachen, dass diese eine zur Zahl ihrer Professuren fixierte Anzahl an unbefristeten Researcherpositionen aufzuweisen hat. Auch das BMBF könnte und sollte sich mit seiner Forschungsförderung daran gebunden fühlen. Letzteres hätte dern Vorteil, dass der Bund es selbst machen kann und nicht auf Mithilfe von Ländern warten muss.

Ob die Qualifikationsphasen irgendeiner Ziffernarithmetik folgen oder nicht, ist, wenn diese Hausaufgaben erledigt sind, dann fast egal. Denn, wie gesagt, gut machen kann man das nicht, wenn das Ausgangsmaterial nichts taugt und da muss man ran.