Mitte vergangener Woche hatte ich für Jan Martin Wiardas Blog einen kleinen Gastbeitrag zur Hanna-Debatte geschrieben. Der folgende Text ist der argumentative Maschinenraum dahinter, eher keine Langversion, sondern eine mit in verschiedene Richtungen weitergesponnenen Gedanken. Der Text ist weit weniger konzis und abgerundet als der der vergangenen Woche. Zum Ende gibt es noch ein paar Überlegungen zu Debattenentwicklungen der zweiten Wochenhälfte der Vorwoche.
Die Hanna-Debatte ist von Anfang an von einer falschen fast kitschigen, dafür aber strategisch überausgebeuteten Entgegensetzung geprägt. Von interessierter, besser desinteressierter Seite suggeriert wird, dass es da Leute gebe, die alle Stellen im Wissenschaftsbereich entfristen wollen, dabei gebe es doch so gute Gründe im Wissenschaftsbetrieb zu befristen: die Innovation, die Zirkulation, die Qualifikation der Leute. Ziel derer, die die Entgegensetzung spielen ist es, von dem, was lös- und diskutierbar ist wegzulenken und den Blick darauf abschweifen zu lassen, was vermeintlich nicht geht. Man muss da also ein bisschen klären: Weder geht es darum, alle zu befristen noch sollen alle von Anfang an unter allen Umständen entfristet werden. Vor und nach der Promotion ist ein Unterschied, ein großer gar. Entgegensetzung und gegenseitige Unterstellung, unmögliches zu wollen, sind für viele an der Debatte Beteiligte vergleichsweise einfache Lösungen. Auf der einen Seite kann man einen Empörungstatbestand feststellen, auf der anderen die Unmöglichkeit, alle zu entfristen, kapitalisieren oder seinerseits selbst feststellen, dass man selbst ja gar nicht verantwortlich sei für die konkrete Ausgestaltung tatsächlicher Arbeitsverträge und-verhältnisse. Die Universitäten würden halt von den ihnen eingeräumten Möglichkeiten keinen Gebrauch machen, sagt das BMBF. Diese Universitäten, vom BMBF verantwortlich gemacht, ziehen den Kopf ein, sagen entweder wenig, deuten vielleicht an, angelegentlich alles Nötige gesagt zu haben. Manchmal wird irgendwas gesagt oder dahingeschrieben, selten ist das glücklich. So hat am vergangenen Sonntag eine HRK Vizepräsidentin und Rektorin einer westdeutschen Landeshauptstadtuniversität die unendlich kluge Aussage, es gebe halt nicht für alle Platz via Twitter zu Protokoll gegeben und am Donnerstag vergangener Woche hat eine Rektorin aus Freiburg für die Zeit noch einmal den Tenor der Bayreuther Erklärung der Kanzler*innen wiedergegeben. Ein anderer HRK-Vizepräsident sucht sogar die Verantwortung bei den Drittmittelgebern: Diese seien die treibende Kraft hinter den Befristungen, weil sie ja wohl kaum akzeptieren würden, dass die von ihnen bereitgestellten Gelder benutzt würden, um Haushaltsstellen zu finanzieren. All diese Stimmen eint die Idee, Verantwortung bei anderen zu suchen und vor allem die Alternativlosigkeit des status quo zu beschwören. Ferner eint sie die Gewohnheit und Erfahrung es mit Diskurskontrahent*innen zu tun zu haben, die entweder viel weniger Zeit oder viel weniger Macht als sie haben und deshalb mit der Gerede durchzukommen.
All diese Erklärungs- ,Diskursglättungs- oder Derailingversuche tändeln an den Ursachen des Streits um das Hannaproblem vorbei. Denn dessen Ursache am Start ist ein Missverhältnis von in das System eintretenden Doktorand*innen und letztendlich verfügbaren dauerhaften Beschäftigungspositionen für erwachsene Wissenschaftler*innen. Mit anderen Worten: Das deutsche Wissenschaftssystem kennt Beschäftigung auf Dauer nur für sein Spitzenpersonal und für technische und andere Dienstkräfte. Dabei sind die die Zugänge zu Spitzenpositionen nicht zuletzt durch die Überhöhung Derselben verknappt. In wenigen nationalen Wissenschaftssystemen ist die Trennung zwischen professoralen und nichtprofessoralen Wissenschaftler*innen derart scharf wie in Deutschland. Aus dieser Mischung von Verknappung und Überhöhung erwächst eine toxische Systemsozialität, deren Nebenfolge die Unfähigkeit ist, den epistemischen und finanziellen Preis dieser Art von Hierarchie auch nur zu Kenntnis zu nehmen.
Personalbedarf des Wissenschaftssystem und Anzahl, derer die sich auf den Weg machen, Wissenschaft betreiben zu wollen, sind zu fast völlig unzusammenhängenden Größen geworden. Die Anzahl der Promovierenden reflektiert alles andere als inhaltliche Belange aus den Fächern und Disziplinen. Vielmehr folgt sie organisationalen und hochschulpolitischen Bedürfnissen. Fast der gesamte quantitative Aufwuchs des Wissenschaftssystems der letzten 30 Jahre ist durch die Aufstockung beim befristeten wissenschaftlichen Personal erfolgt. Die Anzahl der Professor*innen hat sich seit 30 Jahren kaum verändert, obwohl mit Junior-Professor*innen eine neue Professor*innenkategorie hinzugekommen ist. Viele Doktorand*innen zu haben, wurde in den 1990er Jahren zu einem Organisationsziel, und zu einem Leistungsausweis innerhalb der Universitäten. Überall schossen Graduiertenkollegs aus dem Boden, in den ersten Runden der Exzellenzinitiative, später Exzellenzstrategie waren sie Bestandteil der Förderlinien. Promoviert sollten die dann zu Postdocs gewordenen Nachwuchskräfte möglichst viele Papers schreiben und möglichst viele Projekte einwerben. Es entstand eine Art organisational angetriebene epistemische Tonnenideologie, die damit einhergehende Steigerungslogik entfaltete eine Eigendynamik. Es konnte nur mehr vom Gleichen geben.
Durchfluss durch das System, diesen aufrechtzuerhalten, wurde zum eigentlichen Gegenstand von Wissenschaftspolitik, insbesondere der auf Bundesebene. Wissenschaftspolitik des Bundes konnte nur sein, indem es diesen Durchfluss gab. Gäbe es den nicht, gäbe es auch keine Wissenschaftspoltik des Bundes, kein Selbstwirksamkeitserleben für BMBF-Beamt*innen. Aus diesem Motiv entsteht aus Sicht des BMBF eine Notwendigkeit, einen steten Strom von Strategieformaten, Wettbewerben und Pakten zu generieren. Das heißt, Programmfinanzierung und Forschungsprogrammierung ist alles, was die haben, aus diesem Grund ist es für das Haus so wichtige, weiter befristen zu können. Die Verstopfungsmetapher des berüchtigten Hannavideos bezieht sich darauf. Promovierende und Postdocs wurden aus Perspektive dieses Ministeriums und dann auch der Universitäten eine Ressource. Der Prozess bekam etwas Naturwüchsiges, Eigenlogisches und ließ nur noch schwer steuern, weil er verselbstständigt war. Durchfluss, Steigerung, Konkurrenz, mehr und mehr von allem in am besten kürzerer Zeit, von noch jüngeren Nachwuchskräften vollbracht wurde zur Eigenlogik dieses rasenden Stillstandsarrangements, das wie wissenschaftlicher Fortschritt aussah. Die Verstopfungsmetapher emergiert insofern aus der Selbstwahrnehmung des BMBF, Verstopfung bedeutet aus Sicht des Ministeriums nicht mehr wirken zu können. Das mit dieser Nichtmehrwirkensfurcht verbundene Stillstandsbild ist das Selbstbild, denn eigentlich weiß man dort in de Bonner Klotzbauten ziemlich genau, dass Forschungsfragen auch ohne das eigene Zutun angegangen werden würden. Die Behauptung, Personaldurchfluss sei unabdingbar, um neues Wissen, ja Innovation zu schaffen, entpuppt sich insofern als Hilfskonstuktion und Lebenslüge Bonner Beamter, die wissenschaftssoziologisch ohnehin nicht haltbar ist.
Schön aus Perspektive von Wissenschaftspolitik ist, eine Ressource zu haben, die Intrinsisch angetrieben ist und deshalb noch in höherem Grade ausnutzbar, als Geld verfügbr ist, sie zu bezahlen. Das hat thematische Gründe, die Leute brennen für das, was sie forschen und dann gibt es da organisational strukturelle Gründe. Der Wissenschaftsbetrieb hat sich insofern längst daran gewöhnt, dass Leute gratis arbeiten. Mit Titularlehre, Karriereversprechen Leistungsdruck und Projektperspektiven stehen damit eine Reihe Instrumente bereit, die Abschöpfung dieser Gratisarbeit fortführen zu können. Qualifikation wurde dabei zu etwas Uferlosem. Die Differenz zwischen den Qualifikationszielen Promotion und Habilitation wurde geschleift, als wäre sie einerlei. Alle ohne Tenure wären danach in Qualifikation befindlich. Welche wofür geriet indessen an den Rand der Aufmerksamkeit. Vergessen wurde auch, dass nach der Promotion fast nur noch Kompetenzen zu erwerben sind, die außerhalb der Akademie nichts zählen. Dabei kam es auch zu einer Verdummung des Diskurses über akademische Qualifikation, die Apparate der Organisationen verlernten, formale Qualifikation von Meisterschaft zu unterscheiden.
Leistung wurde nicht mehr epistemisch validiert. Ein altes Problem universitärer Organisation wurde damit gelöst, nun konnten die Organisationen endlich selbst, Leistung zuschreiben, z. B. durch den Vergleich eingeworbener Projektmittel. Damit hatten die Organisationen ein eigenes, für sie lesbares Kriterium wissenschaftlicher Qualität, für das sie sie nicht mehr auf Expertise aus der Scientific Community angewiesen waren. Ob er auch epistemisch was voran brachte, war egal, wenn nur die Kohle stimmte. Die epistemischen Nebenkosten dieser Verschiebung bleiben aus erwartbaren Gründen weitgehend unbeobachtet und selbstverständlich auch die Ineffizienz dieses Beantragungsbetriebes, die nur deshalb hinnehmbar wurde, weil, wie oben beschrieben faktische Gratisarbeit verfügbar war.
Wer bei diesem Spiel nicht liefert, wird aussortiert oder fängt erst gar an. Ein Nebeneffekt dieser Fokussierung wissenschaftlicher Personalauswahlkriterien auf die Kompetenz beim Einwerben von Projektmitteln, ist eine Verengung der Professor*innenrolle, die nur noch auf einen Typus ausgerichtet ist. Das hat, wie noch weiter unten gezeigt werden wird, Konsequenzen für das Verhältnis von Hochschulorganisation und Wissenschaftler*innen. Forschende werden dadurch gemainstreamt und es häufen sich Beobachtungen Neuberufener, die konstatieren, dass gerade mit der W2, aber auch der W3 der Druck nicht nachlässt. Es gibt zwar eine Lebenszeitperspektive, aber weil die Angst der Wissenschaftsmanagenden und Administrator*innen so groß ist, dass die Leute mit der Unterschrift unter die Ernennungsurkunde die Griffel fallen lassen, wurden an den Anfang der Professor*innenlaufbahnen Ziel- und Leistungsvereinbarungen gesetzt, in denen festgehalten ist, wieviel in den bevorstehenden fünf Jahren einzuwerben ist und welche Anzahl peerreviewter Aufsätze in Zeitschriften mit welchem kumulierten Impact-Factor abzuliefern ist.
Allerdings sind die Auswirkungen dieser Spiele nach Fächergruppen unterschiedlich. Je mehr ein außerwissenschaftliches Umfeld des wissenschaftlichen Geschehens vorhanden ist, je mehr Personal die Option hat, zu gehen, ohne das Gegenstandsfeld aufgeben zu müssen, desto stärker ist die potentielle Position der Wissenschaftler*innen, bzw. desto weniger ist die Organisation in der Lage, ihre Erwartungen durchzudrücken. Tendenziell hat das zur Folge, dass Forschungsfelder mit außerwissenschaftlichen Arbeitsmärkten weniger organisationsaffin sind, d. h. dort greift tendenziell eher eine Logik, die an disziplinären Relevanzen orientiert ist. Gebrochen ist diese fachliche Hegemonie allenfalls dadurch, dass sich in solchen Bereichen Fachlichkeit etwas anders ausdrückt und z. T. jegliche Forschung auf Ressourcen aus Forschungsprojekten und Drittmitteln angewiesen ist. Dort ist die Grundausstattung von Seiten der Universitäten seit Jahren, ja Jahrzehnten so gering, dass ohne Mittel Dritter gar nicht geforscht werden könnte. Paradoxerweise hilft in den ressorcenintensiven naturwissenschaftlichen Bereiche also eine finanzielle Zurückhaltung der Universität dabei mit, eine forschungsrelevanzenfremde, aber industrierelevanzenorientierte Ausrichtung wissenschaftlicher Forschung zu forcieren. Aber es ist kompliziert. In den Sozial- und Geisteswissenschaften, wo man nicht so einfach gehen kann, ist man gut beraten, seine Forschungsinteressen daran auszurichten, was von Seiten der Hochschul- und Förderorganisationen gefragt ist. Zudem lässt sich dort das oben beschriebene Steigerungsspiel noch leichter exekutieren, weil Studienplätze und Ausstattung billig sind, lassen sich hier die Kapazitäten einfach hochfahren, so dass sie an den den quantiativen Bedürfnissen der Forschungspolitik orientiert werden können.
Diese Differenz von technischen, naturwissenschaftlichen und nichttechnischen Wissenschaftsbereichen äußert sich, was wissenschaftliche Karrieren betrifft, dahingehend, dass es in den Naturwissenschaften zumeist reicht, gut zu sein und sich anzupassen, um durchzukommen, in den anderen Wissenschaftsbereichen braucht man zusätzlich Glück und ein gutes Netzwerk.
Aus all diesen Spiralen rauszukommen ist nicht wirklich einfach. Wenn jetzt gefordert wird, für Daueraufgaben Dauerstellen bereitzustellen, ist dies nur bedingt eine gute Idee, denn man muss bedenken, um was für Stellen es sich dabei handeln würde. Eine weitere Befeuerung des oben beschriebenen Steigerungsspiels ist alles andere als unwahrscheinlich. Dauerstellen werden für Funktionen entstehen, die notwendig geworden sind, weil die organisationale Eigenlogkentfaltung der Hochschulen zum Entstehen von Friktionen und Rissen im Gewebe von betrieblichen und fachlichen Handlungslogiken geführt hat. Diese Risse werden mit Funktionen im Wissenschafts- und Hochschulmanagement, Funktionsstellen für Studium und Lehre etc. gekittet. Diese Leute machen sog. Qualitätssicherung, betreuen Ziel- und Leistungsvereinbarungen, terminieren Audits, entwickeln Transdisziplinaritätsstrategien etc., kurzum sie sind Intermediäre zwischen Wissenschafts- und Verwaltungsbetrieb. Mit anderen Worten, sie sind Agent*innen einer neuen Form von Bürokratisierung, die den bolognabedingten Bürokratisierungsschub der Nuller Jahre wie eine Zwischenschritt aussehen lässt. Sie alle halten die befristeten Wissenschaftler*innen und die Professor*innen dazu an, das zu tun, was aus Sicht der Hochschulorganisation geschehen soll und sie treiben das Befristungsspiel voran. Damit tragen sie zu einer weiteren Verselbstständigung der organisationalen Eigenlogikorientierung der universitären Organisationen bei.
Füllen werden sie die dadurch aufgerissenen Friktionen nicht, weil diese Funktionen stets nach Maßgabe der Organisationsseite eingerichtet werden. Insofern wird jeder Aufwuchs dieser Personalgruppe die Notwendigkeit weiteren Aufwuchses nach sich ziehen. Der andere Weg, einen Ausgleich zu schaffen zwischen organisationalem Aufwuchs und Interessen in den Fächern, z. B. indem man die Institute mit eigenen, an fachlicher Logik orientierten Managementkapazitäten versieht, die organisationalen Ansprüchen Einhalt gebieten könnten, wird voraussichtlich nicht beschritten, weil Institute dies selbst bezahlen müssten. Die andere Möglichkeit, Projektforschung in die Struktur zu überführen, indem man einen projektförmig gesteuerten Pool von dauerhaft beschäftigten Drittmittelforschenden bereithält, scheint auf den ersten Blick auch nicht sehr viel vielversprechender, weil es die oben skizzierten wissenschaftspolitischen und die Projektifizierungsprobleme nicht löst.
Zentral wird es in den nächsten Monaten und Jahren sein, das Verhältnis von Organisation und Wissenschaft neu zu diskutieren und vielleicht auch anders zu justieren. Dies wird auch Konsequenzen dafür haben, wie es gelingt, eine Verwissenschaftlichung der Gesellschaft, eine Epistemisierung des Politischen demokratisch zu gestalten, es ist insofern eine überaus wichtige Frage. Dabei geht es m. E. weniger darum, Gesellschaft in Tradition der 1968er Bewegung als einen Lernzusammenhang oder gar eine Verlängerung der Akademie zu konzeptualisieren, in dem wir alle nun noch diese und jene Perspektive einzunehmen erlernen.
Ich bin Hanna intersektional multiperspektivisch weiterzuentwickeln, wird insofern eine Aufgabe sein, es kommt dabei aber darauf an, zwischen eigenlogisch, in der Akademie erzeugten Problemen und Diskriminierungstatbeständen und solchen, die in der Akademie, lediglich von der Gesellschaft kommend, durchgereicht werden, zu unterscheiden. Die Gesellschaft besser zu machen und Diskriminierung abzubauen, ist immer ein hohes Ziel, es stellt sich aber manchmal, bei manchen Problemvorträgen die Frage, welchen Anteil das Wissenschaftssystem an den dort beschriebenen Tatbeständen hat. So sind die Arbeits- und Aufenthaltsprobleme von Wissenschaftler*innen of Color mit außereuropäischer Staatsbürgerschaften von Trikontländern kein Problem, das im Wissenschaftssystem erzeugt wäre. Allerdings fallen die Probleme dort an, weil das Wissenschaftssystem die Strukturen aufweist, die es hat. Es lohnt es sich in jedem Fall genauer hinzugucken, woher Diskriminierungstatbestände rühren, ob sie im Wissenschaftssystem selbst oder in der umgebenden Gesellschaft erzeugt werden, denn nur dann lassen sich präzise wirksame Maßnahmen gegenzusteuern entwickeln. Zu argumentieren, nicht jede Steigerung der Multiperspektivität der Hanna Bewegung sei auch eine potentielle Steigerung politischer Wirksamkeit, ist von daher nicht notwendig diskriminierend und erst recht kein Silencing mehrfach von Exklusion betroffener Stimmen. Es kann auch strategisch motiviert sein, das zu sagen, denn schließlich macht es diskursive Überladung den Gegner*innen eines Anliegens leichter, seine Forderungen zurückzuweisen.
Und dann ist da noch prinzipielle Unterschied von Wissenschaft und Politik bzw. der Umstand, dass Wissenshaft nicht einfach nur ein irgendwie geartetes Anhängsel einer Gesellschaft ist. So geht es in der Wissenschaft nicht um Konsense, darum, alle mitzunehmen, sondern darum, zu möglichst wenig angreifbaren Aussagen zu gelangen. Zudem ist Wissenschaft ein meritokratisches, kein demokratisches System. Deshalb folgt aus wissenschaftlichem Wissen kein politisches Handeln, einerseits, andererseits ist die Rolle von Positionalität in der Wissenschaft eine andere als draußen in der Gesellschaft. Wer spricht, ist für einen naturwissenschaftlichen Geltungsanspruch vergleichsweise unerheblich, epistemisch gesehen. D. h. nicht, dass in einer Scientific Community eine professorale Stimme keine höhere Reputation genösse, aber das ist eben kein epistemischer Effekt, sondern ein gesellschaftlicher und organisationaler. Aufgabe eines demokratischen Wissenschaftssystems ist es, Effekte einer hierarchischen Positionalität zu kontrollieren. Deshalb auch, ist es sehr wichtig in einem Wissenschaftssystem hierarchische Momente und Trägheiten reflexiv zu diskutieren, um auszuschließen, dass sie epistemische Schäden anrichten. Es kann zwar aus Perspektive einer die Wissenschaft finanzierenden und tragenden Gesellschaft sehr wohl einen Unterschied machen, wer als Wissenschaftler*in spricht, nur eben auch keinen epistemischen. Das alles heißt nicht, dass eine soziale Epistemologie, die Beschäftigungen mit gesellschaftlichen Wissensordnungen sinnlos wäre, aber, dass man halt trennen muss, zwischen dem fachlich Wichtigen und dem gesellschaftlich Willkommeneren oder Bedeutsamen. Hier jetzt einen prinzipiellen, aufs Ganze gehenden Unterschied zwischen Natur- und Sozialwissenschaften machen zu wollen, wäre in meinen Augen eine Herabsetzung der Sozialwissenschaften.
Wie es mit der Hanna Debatte weitergeht wird auch daran hängen, ob der Umgang mit den eben diskutierten Aspekten gelingt. Davon abgesehen ist es zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, wohin es gehen soll oder zu sagen, worin Lösungen bestehen. Vermutlich wäre es klug, zu vergleichen, wie andere Wissenschaftssysteme die oben beschriebenen Probleme bearbeiten. Direkt übertragbare Lösungen wird man dabei aber vermutlich nicht aus dem Stegreif gewinnen können.
Davon abgesehen gibt es Konzepte (das Departmentpapier der Jungen Akademie), die Personalmodelle des Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft und vieles mehr. Die gilt es, auf Vorzüge und Fußangeln zu prüfen. Vor allem gilt es, die Schweigespirale, die maßgebliche Akteure bis vor kurzem um das Thema prekärer Arbeit in der Wissenschaft/wissenschaftlicher Personalstruktur gebaut haben, zu durchbrechen und endlich in ein vernünftiges Gespräch zu kommen.