Ein paar knappe Einschätzungen zum Vorentscheid bei der Exzellenzstrategie

Ende September hat der gemeinsame Ausschuss von Wissenschaftsrat und DFG einen Vorentscheid zum Fortgang der Exzellenzstrategie getroffen. Von 195 eingereichten Clusterskizzen sind 88 zur Vollantragstellung aufgefordert worden, von den mit Skizzen angetretenen 62 Universitäten sind 22 nicht mehr dabei, drei Länder sind ganz aus der Förderung gefallen: Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland, Rheinland-Pfalz und Bremen sind mit nur jeweils einem Cluster dabei, fünf Länder haben damit keine Aussicht mehr, eine Exzellenzuniversität durchzubringen (Zahlenmaterial und erste Einschätzungen gibt es hier und hier). 88 durchgewunkene Clusterskizzen sind weniger, als viele BeobachterInnen im Vorfeld erwartet hatten, trotzdem, nur 40 bis 45 davon werden am Ende die Clusterförderung bekommen und sich über etwas von den 385 Mill. € freuen können.

Die Ergebnisse der Vorauswahl transportieren Einiges an Bedeutung, vermutlich mehr, als die der vorherigen Runden. Zum einen ist die Förderperiode diesmal länger, wer jetzt dabei ist, kann in Hinblick auf das Dabeibleiben mit weit mehr Stetigkeit rechnen, als früher, die Neubegutachtung wird erst wieder in sieben Jahren anstehen. Dementsprechend sind die Teilnahmebedingungen strenger geworden. Wer einen Antrag als Exzellenzuniversität stellen will, braucht nun mindestens zwei Cluster, bei Verbundanträgen müssen es mindestens drei sein.

Vergleichswiese klug war diesmal das Entscheidungsverfahren organisiert. Es gibt drei Stufen. Zunächst begutachtete eine fachdisziplinäre Jury, dann eine nach Fachdisziplinen gemischte, wobei sichergestellt war, dass kein Fachdisziplinvertreter einen von ihm favorisierten Antrag in der zweiten Begutachtung vertreten konnte. Für das dritte letztendlich dann entscheidende Gremium wurden aus dem Kreis der in der zweiten Bewertungsgrunde Begutachtenden zwei fachfremde Berichterstatter ausgewählt, ferner gab es eine ergänzende fachnahe Berichterstattung. Erst bei der dritten Auswahlrunde war eine nichtwissenschaftliche Entscheidungskomponente integriert. Auch wenn die FAZ daran zweifelte, ob es in dem Verfahren tatsächlich gelungen ist, den Einfluss von Einzelinteressen und Verbandszugehörigkeiten bei GutachterInnen und MitentscheiderInnen auszuschließen (Heike Schmoll am 11.10), scheint das im Großen und Ganzen gelungen.

Im Ergebnis gibt es keinen Regionalproporz, was aus forschungspolitischer Sicht zu begrüßen ist. Programme wie die Exzellenzstrategie haben nicht die Aufgabe, regionale Disparitäten aufzufangen. Auffällig ist der doch recht geringe Anteil der Sozialwissenschaften (sechs Cluster und sechs Clusterhälften in Clustern zusammen mit anderen Wissenschaftsfeldern) der zudem noch zu einem nennenswerten Anteil von naturwissenschaftlich tendierender Psychologie ausgemacht wird. Wirklich bedauerlich ist die geringe Anzahl interdisziplinärer Cluster (nach meiner Zählung letztendlich nur drei). Der Löwenanteil wird mit 75 von 88 Clustern von Clustern ausgemacht, die technik- oder naturwissenschaftlich sind oder an denen Medizin maßgeblich beteiligt ist.*

Schaut man auf die Länder ist Berlin relativ am erfolgreichsten, gefolgt von Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen und Niedersachsen, Schleswig-Holstein und NRW. Bayern und relativ gesehen auch Hessen liegen unter den Erwartungen in einem unteren Mittelfeld. Für den Rest der Länder ist es nicht so gut gelaufen.**

Die fachliche Verteilung der Clusterfördervorentscheidungen sagt nun einiges über die Erwartungsstrukturen zwischen Politik und Wissenschaft, aber auch über den Zusammenhang von Organisation und Wissensproduktion aus. Die Politik scheint an einem technologieorientierten Innovationsverständnis orientiert, aber auch an Effizienzanmutung. Folgerichtig sind am wenigsten Clusteranträge dort weitergelassen worden, wo Clusterförderung den geringsten Einfluss auf die qualitative Dimension der Wissensproduktion hat: In den Sozialwissenschaften. Zudem ist in den Sozialwissenschaften der Aufwand, der durch die Notwendigkeit, disziplinübergreifend koordinieren zu müssen, entsteht, am größten. Man muss Leute, die zu Einzelforschung entlang disziplinärer Logiken tendieren, zu Gruppenforschung veranlassen. Die Erträge dieser Koordinationsbemühungen sind in den Sozialwissenschaften aus epistemischer Perspektive gesehen am geringsten, „“Rudelforschung ist ja nicht notwendigerweise besser“ sagte ein an einem Clusterantrag beteiligter Sozialwissenschaftler vor einigen Jahren mal dazu.

In den Geisteswissenschaften sieht es etwas besser aus, weil hier die FachvertreterInnen gelernt haben, dass man sich zusammen tun muss, wenn man überhaupt einen gesellschaftlichen Fußabdruck hinterlassen will. Agyptologen und Byzantinisten ist das unmittelbar einsichtig. Diese Erfahrung fehlt in den Sozialwissenschaften, hier ist zudem der lebensweltliche Einfluss der Disziplinen größer als in allen anderen Wissenschaftsbereichen, man kann Jahre verbringen ohne mit VertreterInnen anderer Disziplinen jenseits von Universitätsgremien ins Gespräch zu kommen. Weiterhin kommt hinzu, dass anders, als in den Geisteswissenschaften die sozialwissenschaftlichen Disziplinen nicht selten in Lager aufgeteilt sind: Allzu oft gibt es zwischen quantitativ und qualitativ Orientierten massiven Redebedarf, bei unterentwickelter Diskussionskultur und gegenseitiger Abneigung. Am geringsten ist der relative Koordinationsaufwand der Clusterforschung in den Lebens- und Technikwissenschaften, in denen einerseits die soziale Bedeutung von Disziplinzugehörigkeit weitestgehend geschwunden ist und andererseits ohnehin Großgruppenforschung an der Tagesordnung ist.

Es fällt auf, das Transdisziplinarität, auch Große gesellschaftliche Herausforderungen bei der Exzellenstrategie nach wie vor (fast) keine Rolle spielen, wenn man einmal vom Hamburger Klimacluster absieht. Um so dringlicher stellt sich die Frage, ob es parallel zur Exzellenzstrategie nicht eine Transdisziplinaritätsinitiative des Bundes geben sollte, in der ausdrücklich auf ein Zusammenarbeiten mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zielende Projekte so gefördert werden können, dass sie für Wissenschaftsorganisationen (Universitäten und Forschungsgesellschaften) interessant werden. Die bisherigen Anreizstrukturen, Third Missons und Formen des Community Engagements zu fördern, reichen in meinen Augen nicht aus und haben zu sehr den Charakter von Nebentätigkeiten, die den eigentlichen Organisationszweck nur garnieren.

Die geographische Verteilung auf die Länder zeigt, dass zu finanzschwache Länder langsam Schwierigkeiten bekommen mitzuhalten. Brandenburg ein traditionell für Wissenschaft weniger ausgebendes Land, das nur wegen seiner Lage um Berlin herum überhaupt nennenswert Wissenschaftseinrichtungen aufzuweisen hat, ist außen vor, auch Sachsen-Anhalt das anders als Thüringen in den 1990ern bei zwei Großklinika geblieben ist und deshalb weniger in der Lage ist, seinen Mitteleinsatz zu fokussieren, ist nicht mehr dabei. Mecklenbug-Vorpommern ist ohnehin klein und peripher und nicht mehr dabei. Saarland, Bremen und auch Rheinland-Pfalz sind nur noch anstandshalber mit Einzelclustern vertreten. Langfristig kann es zu einem Problem des Deutschen Föderalismus werden, wenn ganze Länder aus dem Kreis derer, die mithalten können ausscheiden. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass forschungspolitische Argumente für die Weiterentwicklung, genauer die Entscheidungsblockaden des deutschen Föderalismus eine nennenswerte Rolle spielen werden.

In Bezug auf das Universitätssystem zeichnet sich eine dreieinhalbetagige Struktur ab: Exzellenzuniversitäten, exzellenzfähige Universitäten, Mitmachuniversitäten und solche die gar nicht mehr mitmachen. Um die letzten zwei Kategorien muss man sich mehr oder weniger Sorgen machen. In Bezug darauf fehlt auch eine organisations- und wissenschaftssoziologisch informierte Nebenfolgenforschung darüber, was sich bei den im Ergebnis nicht so erfolgreichen Mitwirkenden ereignet, es stellt sich allerdings die Frage, wer daran interessiert sein könnte, Negativresultate zu veröffentlichen. Die o. g. Aufteilung macht um so klarer, dass es bei der Exzellenstrategie in erster Linie nicht darum geht, Innovation zu fördern oder auf die Wissensproduktion einzuwirken, sondern vielmehr darum universitäre Governance zu entwickeln. Die qualitativen Unterschiede zwischen letztlich knapp geförderten und letztlich knapp nicht geförderten Clustern sind dafür einfach zu gering. Prämiert werden also diejenigen Universitäten, die es schaffen, ihre WissenschaftlerInnen zu erfolgreichen Jagdgemeinschaften zu organisieren. Die Erkenntnisgewinne, oder die Fragen, ob man das nicht alles auch anders hätte forschen können, sind da von eher sekundärer Bedeutung.

In Bezug auf einen internationalen Kontext geht es auch nicht zuletzt darum, die deutsche Wissenschaftspolitik in die Zyklen der globalen wissenschaftspolitischen Aufmerksamkeitsökonomie zu bringen. Das geht am besten über wissenschaftspolitische Tätigkeitsnachweise und, wie ich an anderer Stelle vor zwei Jahren schon beobachtet habe, durch die Inszenierung hochschulpolitischen Wirksamkeitserlebens auf Bundesebene.

 

 

*Die DFG-Pressestelle zählt anders, wie ich finde weniger instruktiv: Rund zwei Drittel der ausgewählten Skizzen sehen die Beteiligung außeruniversitärer Partner vor. Die Mehrzahl der Konzepte ist dabei multidisziplinär angelegt. 19 Prozent der Skizzen haben ihren thematischen Schwerpunkt in den Geistes- und Sozialwissenschaften, 24 Prozent in den Lebenswissenschaften; 26 Prozent der Vorhaben sind überwiegend den Ingenieurwissenschaften zuzuordnen und 31 Prozent den Naturwissenschaften. (http://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung_nr_41/index.html)

** Ich habe einfach nur Clustergenehmigungen gegen Bevölkerungszahl gerechnet. Über den Daumen käme bei Gleichverteilung auf eine Million Bevölkerung etwa ein zur Vollantragstellung aufgeforderter Cluster.