Als die Bremer Politik vor 20 Jahren die Gründung der IUB, der heutigen Jacobs Universität betrieben hat, fehlte ein seriöser Plan (im Dezember vergangenen Jahres habe ich hier etwas dazu gesagt) und jetzt, wo die Bremer Politik einfach nur noch raus will aus diesem Arrangement, fehlt immer noch ein seriöser Plan. Fulminanter könnte der Bremer Politikbetrieb gar nicht aufzeigen, wie gering der Stellenwert wissenschaftspolitischer Erwägungen in einem Bundesland sein kann. Der Verkauf der unfreiwillig dem Land zugewachsenen Anteile wird als immobilienwirtschaftliches, ein bisschen sportpolitisches Projekt gefeiert, alle Beteiligten wissen, dass es um wissenschaftspolitische Visionen nicht geht. Und um vieles andere auch nicht, nicht darum, mit welchen Leuten man in der Wissenschaft besser nicht zusammenarbeitet, bzw. welche diskursive Verschattungen von Wissenschafts- und Geschäftssemantik man besser nicht befördern sollte, wenn man ein Bundesland vertritt. Und auch nicht darum, wie man sich als Bundesland am besten in Sachen Steueroptimierung positioniert. Niemand in der Bremer Koalition will wegen solcher Randthemen Stress machen, so froh sind alle, da endlich ein Risiko losgeworden zu sein. Die immobilienwirtschaftlich und haushalterisch getriebene Weggabe der Landesanteile an der Universität wäre damit neben dem projektierten Umzug irgendwelcher Teile der Universität in eine von der Sparkasse aufgegebene Problemimmobilie am Brill am Rande der City das zweite sogenannt wissenschaftspolitische Projekt der Bremer Landespolitik, das fast nichts mit Wissenschaft, dafür aber sehr viel mit politikbetrieblichen Bedürfnissen und immobilienwirtschaftlichen Problemlagen zu tun hat. In beiden Fällen geht es nur in zweiter Linie darum, was die betroffenen Universitäten wollen oder brauchen und in erster Linie um das Lösen politischer Eigenprobleme bzw. der Probleme anderer Politikfelder wie der Finanzpolitik oder der Stadtentwicklung. Das verleiht beiden Projekten die Aura eines etwas unheiligen gleichwohl eiligen Unernstes und lässt den Kontrast zu Ländern, die wissenschaftspolitisch motiviert etwas wollen umso schärfer hervortreten.
Zu einer Zeit, in der in der zweiten bayerischen Großstadt eine neue TU-hochgezogen wird, das benachbarte Hamburg sowohl einen neuen Campus baut als auch die vormals kleine TU-Hamburg/Harburg zu einer Volluniversität macht, verscherbelt Bremen in haushalterischer Torschusspanik eine private Universität. Verscherbelt wird der Laden an einen Geschäftsmann, der ein Netzwerk von Briefkästen hat, eigentlich in Singapur wohnt, aber auch ein paar Einrichtungen im Schweizerischen Schaffhausen (einer Steueroase) betreibt. Dort hat er sich von der lokalen Politik ein bisschen Geld organisiert und eine sich irgendwie auch Hochschule nennende Einrichtung gegründet.
Inwiefern diese eine echte und keine virtuelle Einrichtung ist, ist nicht so ganz leicht herauszufinden. Selten ist erkennbar, wie genau die auf den, was den Informationsgehalt betreffend dürftigen, Webseiten, Abgebildeten Angehörige des SIT sind, oder Mitglieder ganz anderer Organisationen. Selten auch, ist erkennbar, was die Leute da beim SIT genau machen. Die Webpräsentation der Einrichtung lässt sich am ehesten und freundlichsten als etwas schillernd bezeichnen, es gibt Wasserfallbilder, Sounds und Teaser, was fehlt sind die trockenen Sachen, Mitarbeiter*innenverzeichnisse, Publikationslisten aufgeführte Forschungsprojekte.
Ein Journalist, der sich recherchierend daran gemacht hat, herauszufinden, wem der Kanton Schaffhausen da eigentlich Geld gegeben hat und was der Mann da vorhat, ist auf ein Netzwerk aus Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Briefkästen, noch nicht einmal Briefkästen und Netzwerkadressen auf den Cayman Inseln gestoßen. Schaffhausen ein kleinstädtisch geprägter Kanton an der Grenze zu Deutschland hat sich in den letzten Jahren als Ort etabliert, den Holdings gerne aufsuchen, weil die Steuern sehr niedrig sind und der Züricher Flughafen nicht weit ist.[1] Wal Mart hat sich mit seiner Holding dort niedergelassen.[2]
Die Frage, ob sich das Land Bremen, was eine finanzpolitische Positionierung betrifft, bei Schweizer Kleinstadtkantonen anschmiegen sollte, hat die Bremische Politik bislang geflissentlich vermieden. Zu verlockend scheint die Aussicht, ein bisschen vom Lückennutzen im globalen Steuerdumpingwettbewerb mitprofitieren zu können. Ebensowenig scheint man sich hier die Frage zu stellen, ob das Land sich nicht selbst verzwergt, wenn es sich finanzpolitisch gebart wie eine Kleinstadt, der das Gemäuer und das Geld vor Ort wichtiger ist als wissenschaftspolitischer Anspruch. Eine Sternstunde Bremer Wissenschaftspolitik erlebt man aktuell jedenfalls gerade nicht.
Der Ausstieg aus dem Jacobs-Abenteuer ist insofern so planlos wie der Einstieg vor 20 Jahren. War es damals die auf dem Höhepunkt neoliberaler Gedankenwellen zusammenfabulierte Vorstellung, man könne mit einer privaten Stiftungsuniversität die tankerhaft erstarrten staatlichen Universitäten mobilisieren, ist es heute die Idee, das alles einfach nur noch hinter sich lassen zu können. Koste es, was es solle. Nur ist Wegdamit auch kein politisches Konzept, besonders keins, das der Tatsache gerecht wird, dass da etwas entstanden ist, was nebenbei auch eine Schutzobliegenheit gegenüber den dort arbeitenden fast 500 Menschen umfasst. Der Investor, so heiß er überall, redet von Zukunft, die „about much more deeply fundamental science“ und dann aber auch irgendwie „about technology startups which can be build by Jacobs alumni“[3] sei. Das Land Bremen hat, wie man sieht, sein Ziel erreicht, eine Universität loszuwerden. Über den Rest sollte man schnell den Mantel des Schweigens und Vergessens decken.
Was auch immer in den kommenden Jahren auf dem Grohner Kasernengelände passieren wird. Mit Universitätsleben wird es wohl recht wenig zu tun haben. Und dennoch hat der ganze Prozess eine Aura des Alternativlosen. Auf die Frage, was würdest Du denn sonst machen, ist es in der Tat nicht ganz leicht, eine gute Antwort zu finden. Deshalb machen auch alle mit und lassen die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Häfen gewähren. Und die Medien der Stadt, von der Taz abgesehen sekundieren. Dass der Zeitdruck, jetzt schnell Nägel mit Köpfen gemacht haben zu müssen, selbstgemacht ist, weil schon einmal vor Weihnachten vergangenen Jahres eine Lösung verfrüht verkündet hatte, was solls. Dass die Senatorin mit ihrem fragwürdigen Krisenmanagement die Situation erst geschaffen hat, dass man derart mit dem Rücken der Wand stand, ein Angebot wie geschehen annehmen zu müssen, niemand problematisiert das. Zu verlockend ist es stadtübliche Reflexe wie, diese Kaffesackleute mit ihrer Elitenuni wieder, wie gut das wir alle dafür keinen Cent mehr aufbringen müssen.
Es bleibt damit die Verantwortung der Wissenschaftssenatorin, die Stadt in eine Situation gebracht zu haben, in der es nur noch Verlierer*innen gibt. Die Beschäftigten und Studierenden der Jacobs-Universität, die an Wissenschaftspolitik Interessierten in der Stadt, denen nur noch der Weg bleibt, woanders hinzusehen, denn hier gibt es in dieser Hinsicht nichts zu sehen. Für die Zukunft Bremer Wissenschaft ist das keine wirklich gute Aussicht, angesichts dessen, dass es bei Plänen in Sachen Exzellenzstrategie immer auch um Aussichten und wie sie vermittelt werden geht, ist es sogar eine multipel schlechte.
[1] Was die Gewinnsteuersätze betrifft, ist Schaffhausen zwar nicht der billigste Kanton, aber unter den Billigen. Vergl. hier: https://assets.kpmg/content/dam/kpmg/ch/images/clarity-on-swisstaxes-gewinnsteuer.jpg.
[2] Vergl.: https://www.shaz.ch/2017/07/31/walmart-milliarden-an-der-bachstrasse/
[3] Vergleiche dieses kleine Video: https://www.butenunbinnen.de/videos/jacobs-university-vertrag-uebernahme-unterschrift-bremen-102.html