Wenn Politik zuviel Vertrauen schreddert. Zum Gebaren des BMBF

Was für eine schlechte Idee es aus wissenschaftspolitischer Perspektive war, das BMBF der FDP überlassen zu haben, wurde spätestens im Zusammenhang mit dem Gewürge um die Finanzierung sozialwissenschaftlicher Forschungslinien klar. Da war für einen halben Tag die Begründung in der Welt, man wolle bei der Projektförderung einen schnelleren Impact. Dies war eine Begründung von derart horrender Bullshittigkeit, dass diese selbst der liberalen Hausspitze auffiel, weshalb sie ganz schnell wieder von dieser kassiert worden ist. Dennoch war es wieder in der Welt, das Gespenst vom FDP durchstilten Haus, genau die unselige intellektuelle Konstellation, die der Republik schon in Tateinheit mit fehlgeleiteten sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Motiven das extrem unselige Wissenschaftszeitvertragsgesetz beschert hatte.

Dabei war es schon in den vergangenen Monaten nicht gut gelaufen aus Sicht der liberal geführten Kreuzbauten in den linksrheinischen Sümpfen, denn gleich zwei eher zweieinhalb Anliegen des Hauses zerschellten am harten Boden politikbetrieblicher Tatsachen. Am frühen Morgen des 20. Mai erlebten die BMBF-Vorhaben Sprind und DATI eine Demontage in der sog.  Bereinigungssitzung des Haushaltsauschusses und am gleichen Tag präsentierte das BMBF in einer fünfzehnminütigen PK den lang erwarteten Evaluationsbericht zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz, genauer zu seiner Novelle von 2017 (diese Einschränkung wird später noch wichtig).

Der Bundeshaushalt in seiner derzeitigen Form sieht für die Bundesagentur für Sprunginnovation (Sprind) ab 2023 nur noch deutlich weniger Geld vor, der Haushaltsausschuss will weiteres Geld erst nach einer Evaluation bereitstellen, für die DATI das andere, dem zurückgetretenen Staatssekretär, eher noch wichtigere Projekt sieht der Haushaltsausschuss gar eine Sperre vor. Da haben sich im Falle der SPRIND die Antikörper des haushalterischen Politikbetriebs gegen die als Fremdkörper gemeinte und folgerichtig erkannte Agentur gewandt, bei der DATI scheint sich die Unklarheit und der fehlende Konsens in Hinblick auf das zu realisierende Konzept zu rächen. Dass der betreffende Staatssekretär Sattelberger diese Beschlusslage zum Anlass nahm, aus gesundheitlichen und privaten Gründen zurückzutreten, ist nicht wirklich eine Überraschung.

Man kann damit zwei, ja drei zentrale Vorhaben des BMBF als vorläufig gescheitert betrachten, was, bei aller Distanz zur Parteifarbe der Führung des Hauses nicht gut sein kann. Denn einmal mehr ist es nicht gelungen, Wissenschaft und Politik Ressourcen füreinander werden zu lassen. Zu groß war das gegenseitige Misstrauen, das sich, so schade es ist, einmal mehr als nicht völlig unbegründet erwies. Politik hat nach wie vor Wissenschaft im Verdacht, sich alleingelassen nur um eigene Relevanzen kümmern zu wollen, wohingegen Wissenschaft Politik im Verdacht hat, eigene Agenden, aber nicht Belange der Wissenschaft (also der unter dem Namen Wissenschaft agierenden Organisationen) verfolgen zu wollen.

Dabei handelt es sich bei SprinD und DATI gar nicht um originäre Einrichtungen der Wissenschaft, sondern um politische Projekte, die allerdings anderen Teilen des Politik-/Verwaltungsbetriebs nicht geheuer waren. Von Anfang an gab es da einen Ideologie- oder Aktivismusverdacht. Auch gab es viel Argwohn, so befürchtete die Forschungsallianz für den Mittelstand, dass es einer DATI doch gar nicht bedürfe, weil es sie, die Forschungsallianz doch schon gebe. Kurz es ging um Fördergeld, das jemand anderes jedenfalls nicht bekommen sollte. Schließlich sah die EFI-Kommission eine Agenturlösung zur Beförderung angewandter und innovationsorientierter Forschung mit „Skepsis“  und laut Zwischenüberschrift „nicht als Allheilmittel“ (S. 35) und sich genötigt, all das laut in ihren Jahresbericht zu schreiben. Sie konnten nicht erkennen, dass aus der Einsetzung der DATI ein Mehrwert entstehen würde, stattdessen wollten sie das Projektträger Modell mit dem Ziel „Effizienz- und Agilitätspotentiale“ zu heben.

Es sieht jedenfalls danach aus, als fände die Politik gerade keine Sprache, über ihre wissenschaftspolitischen Steuerungsziele zu reden und als stranguliere sie sich selbst mit selbstgeschaffener Bürokratie. So ist auch die Evaluation der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes wegen einer zu eng geratenen Fragestellung zu einer überaus faden Angelegenheit geworden. Die Bundesregierung, zum Zeitpunkt der Beauftragung noch durch das von Anja Karliczek geleitete BMBF vertreten, wollte nicht wissen, ob es epistemische Kosten des Projektifizierungsdrucks geben könnte, sondern lediglich, ob eine vor einigen Jahren auf den Weg gebrachte kleine Novellierung dieses Unglücksgesetzes  wenigstens hier und da kleinere Verbesserung gebracht hat. Die erwartbare Antwort war nun: Eigentlich nicht.

Und dann sieht alles danach aus, als scheitere die Bundesregierung mit ihrer Idee, anwendungsorientierte Forschung an vormals Fachhochschulen genannten Hochschulen zu fördern, weil es nicht gelungen ist, die Ziele der Förderung so klar zu fassen, dass Bedenken bereits im Feld aktiver Akteure zerstreut werden konnten. So waren die Reaktionen auf die Vorschläge aus dem BMBF vor allem von der Angst geprägt, eigene Rollen und Einflussmöglichkeiten zu verlieren und einige Akteure fanden, dass der DATI zugedachte Aufgaben doch schon von ihnen wahrgenommen würden.

Und nun im Juli kommen zu all dem noch die haushalterischen Nöte hinzu, die, man kann es kaum anders sagen, unsäglich kommuniziert worden sind (Jan Martin Wiarda hat breit und weit über Windungen und Wendungen in der Angelegenheit berichtet). Dabei hat die Hausspitze ohne Not eine satte Rufschädigung des Ministeriums als Forschungsförderer in Kauf genommen und ganz nebenbei noch eine implizite Absprache, die Jahre lang galt gebrochen. Plötzlich ist der Unterschied von Aufforderung zur Vollantragsstellung und beschiedener Bewilligung ganz zentral und wird stark gemacht. Damit wird eine kleine Effizienzreserve des ohnehin ineffizienten programmgesteuerten Forschungsförderbetriebs kassiert. Denn bis jetzt konnte man, wenn ein Antrag auf Basis einer eingereichten Skizze als förderungswürdige begutachtet worden ist, davon ausgehen, dass die Förderung auch erfolgen würde, eine weit aufwendigere Vollantragstellung mithin nicht verschenkte Zeit sein würde. Das gilt jetzt nicht mehr, wodurch der Forschungsförderbetrieb einmal mehr ineffizienter wird. Und diese Ineffizienz wird vom Ministerium sehenden Auges in Kauf genommen, warum eigentlich?

Währenddessen kommt vom BMBF zu den wirklich drängenden wissenschaftspolitischen Fragen dieser Monate fast nichts. Ein Ausblick, wie es mit den großen Bundesprogrammen, den Pakten weitergeht, welche Vorstellungen in Hinblick auf Science Diplomacy das für Wissensproduktion und ihre Organisation(en) zuständige Bundesministerium hat, ich weiß es nicht.