Das gestern veröffentliche Eckpunktepapier zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Ein – sehr kurzer – sehr verärgerter Reflexrant

Gesten hat das BMBF ein sog. Eckpunktepapier[1] zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgelegt. Wie alle Eckwertepapiere ummantelt das Papier Dissens, enthält wenig Konkretes und viel Allgemeines Absichtenerklärendes. Nicht immer passt das darin enthaltene Konkrete zu den präambulierten Absichtserklärenden oder nur dann, wenn man gaaanz viel Verständnis und persönlich Anteilnahme für politikbetriebliche Nöte aufbringt. Dementsprechend war von Seiten des BMBF schnell ein Opfersound angeschlagen, ungerecht behandelt wähnte man sich, dabei habe man doch helfen wollen.

Das Problem ist ein an Oberflächenphänomenen und Diskursopportunismen ansetzendes Verständnis von Helfen. So geben die am Gesetzgebungsprozess beteiligten Bundestagsabgeordneten der Ampelparteien vor, zu glauben, man helfe Betreffenden PostDocs, wenn man den Kanal, in dem sie befristet beschäftigt werden können, einmal mehr verengt. Diese Art Missverstehens ist Folge einer an Forschenden und Forschungsinhalten maximal desinteressierten Politikperspektive, die vornehmlich an eigenen Diskursbedürfnissen orientiert ist. Ja es ist unschön, dass es Befristung in der Wissenschaft gibt und der Wunsch als Wissenschaftspolitikbetreibender wie jemand aussehen zu wollen, der sie bekämpft, ist menschlich verständlich, aber warum, kehrt man dann das ganze Ding, dann gegen diejenigen, die im Wissenschaftssystem arbeiten wollen?

Nicht minder rätselhaft ist mir, warum und wie es offenbar nicht im Mindesten einen wissenschaftspolitischen Kompetenzaufbau in den Bundestagsfraktionen der Ampelparteien zu geben scheint. Andernfalls würden sie nicht wieder und wieder den Fehler wiederholen, nicht mit in Rechnung zu nehmen, was die Universitäten mit ihren Vorgaben anfangen. Der zuständige Staatssekretär Brandenburg verstieg sich auf Twitter gar zu der Aussage, für das Schaffen von Stellen sei die Wissenschaftspolitik des Bundes, das Befristungsrecht doch gar nicht zuständig, das sei doch Sache der Länder und Universitäten.

Selten ist das Elend einer nach wie vor ungebrochen auf Organisationalisierung setzenden Wissenschafts- und Hochschulpolitik fundamentaler zum Ausdruck gekommen als in diesem dünnen Papier. Vielleicht muss man wirklich anfangen Organisationsformen von Wissenschaft anders und neu zu denken, Hochschulen und Forschungsorganisationen wollen und können es offenbar nicht, weil sie sich zu sehr in ihren organisationalen Eigenlogiken und Akteursinteressen verfangen. Das Forschung keine Ressource dieser Organisationen ist, vielmehr diese eigentlich in einem Dienstleistungs- und Ermöglichungsverhältnis der Wissenschaft gegenüber verpflichtet sind, das scheinen sie im Wissenschaftsausschuss vergessen zu haben. I’m not amused.

 

p.S. Simon Pschorr hat auf Twitter eine weitaus bessere arbeitsrechtliche Analyse des Eckwertpapiers vorgelegt, als ich das jemals hier hätte machen können. Sein langer Thread fängt da an: https://twitter.com/PschorrSimon/status/1636877903731335168?cxt=HHwWgIC9if3xrbctAAAA

 

[1] https://www.bmbf.de/SharedDocs/Downloads/de/2023/230317-wisszeitvg.pdf?__blob=publicationFile&v=1

 

 

p.S., 20.03. vormittags

Am Sonntagabend hat sich Erstaunliches, selten Geschehendes ereignet: Staatssekretär:innen des BMBF erklärten, den Prozess auf Reset zu setzen, weil bloßes Abstimmen von Interessen und Positionen nicht ausreiche, solle es (O-Ton) „zurück in die Montagehalle“ gehen.

Derartiges passiert (wie gesagt) selten und ist eine neue Tonlag, nicht nur für diese Debatte. Jetzt kommt es darauf an dranzubleiben und, was die am Prozess Mitwirkenden betrifft, endlich Transparenz einkehren zu lassen, zu sagen, wer was will und sich nicht hinter sog. Stakeholder Dialogen zu verstecken, bei denen man gar nicht wusste, wer da wie, welche Stakes hielt. Der Terminus wurde zurecht kritisiert und zu recht wurde auf die Bullsihitaffinität der Wendung verwiesen.

Auch zentral für alle Beteiligten ist es nun die eigene politische Kommunikation (die, mit Verlaub in Teilen abysmal war) auf den Prüfstand zu stellen. Dann könnte es auch gelingen, das im Verlauf des Wochenendes beschädigte Vertrauen in wissenschaftspolitische Prozesse und die einschlägige Kompetenz der Ampelfraktionen im Bundestag wieder zu reparieren.

Ich bleibe gespannt und werde, wenn es was Neues Berichtenswertes gibt, hier etwas dazu sagen.