Vor etwas mehr als drei Wochen kam es im Diskurs über Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zur Disruption. Was sich bis dahin schemenhaft abzeichnete, drückte sich in einem Ritsch aus, der in zwei verschiedene Richtungen wies. Auf der einen Seite war da das an Lösung und Hoffnung orientierte Lager, Leute, die glaubten, dass es doch bestimmt eine Lösung eine hilfreiche gar geben könne und dass es diesmal gelinge, den Verschlimmbesserungspfad auf dem sich die Arbeitsbedingungen befristet angestellten wissenschaftlichen Personals Mal um Mal wiederfanden, zu verlassen. Zu diesem Lager gehörten die Hannas, Leute aus gewerkschaftlichen Dunstkreisen und Leute aus der Letzteren nahestehenden Politik. Und dann gab es da ein zynisches Lager, Leute, die ihre Befürchtungen in die Schläue universitärer Organisation projizierten, erwarteten, dass Universitäten einmal mehr Schlupfpunkte finden würden, Regelungen, die helfen wollten, in etwas gegenteilig Wirkendes zu verwandeln.
Die Erstgenannten wollen dem Befristungsunwesen ein Ende setzen, indem man Befristen einerseits einengt, andererseits es einhegt mit Mindestentfristungsquoten. Mit der Idee des Erschwerens 8md Einengens des Befristens steht dieser Lager in der Tradition der Wissenschaftspolitik und wird dafür auch zurecht kritisiert, weil es nicht immer gelingt klar genug zu bestimmen, welche Nebenabreden getroffen werden müssen, damit das Erschweren des Befristens nicht doch am Ende wieder gegen diejenigen kehrt, die an befristeten Stellen im Wissenschaftssystem interessiert sind.
Ein weiteres Argument des zynischen Lagers ist, dass der Optimismus der Gestaltungsgeneigten Gefahr läuft, Entscheidendes zu übersehen. Zum einen werde ausschließlich auf die Forschungsseite des universitären Betriebs geblickt, was angesichts der höheren gesellschaftlichen und politischen Wertschätzung, die Lehre genössen nachvollziehbar sei, dabei werde aber das weite Feld der Lehre ausgeblendet und niemand befasse sich mit dem Ineinandergreifen diverser Prozesse in Hinblick auf Lehre. Denn, wo diese in austauschbare Dienstleistungen zerfalle, könne sie auch leichter mit wechselndem Personal aufrechterhalten werden. Insofern entbehre es nicht einer gewissen Ironie, dass Qualitätssicherung und studierendenzentrierte Didaktisierung der Lehre dazu führen könne, dass diese noch leichter mit prekarisiertem Personal betrieben werden kann.
Vieles dieser Bedenken nährt den Verdacht, dass #ichbinhanna doch noch nicht die politikprozessuale Disruption mitführt, die zu Anfang am Horizont stand. Zu viel normalisiert sich in die üblichen Prozesse ein, zu sehr schleppt sich auch der Prozess von Aufregungspunkt zu Aufregungspunkt dahin. Da war im März das Eckpunktepapier aus der SPD-Fraktion, im Mai die Kafkametaphorik aus der Grünen Fraktion und, so steht es zu befürchten, im Juni werden wir die Versuche des FDP-geführten BMBF erleben, genau die Regelungen, die es brauchen wird, um aus einer Erschwerung des Befristens etwas zu machen, zu verhindern erleben. Die Logik des politischen Kompromisses gebiert dabei, so sieht es aus, wohl einmal mehr Unzumutbarkeiten und vermutlich auch erwartbare Inkonsistenzen. Denn einen Kompromiss aus Mindestentfristungsquote und keiner Entfristungsquote kann es nicht geben und wenn er dennoch zustande kommen sollte solch ein Kompromiss, in etwa, indem solch eine Quote sehr niedrig angesetzt wird, dann ist er im Ergebnis unwirksam.
Was jetzt klug wäre, wäre ein Ansatz der weder eines Einsatzes von Kafka- noch von Sesamstraßenreferenzen bedarf, und stattdessen versucht, das Gute aus beiden Lagern zum Erfolg zu verbinden. D. h. einerseits den Anspruch, die Arbeit im Wissenschaftssystem besser machen zu können nicht aufzugeben, andererseits aber zu sehen, wie oft dieser Anspruch zum Gegenteil dessen geführt hat, was er erreichen wollte. Es braucht wohl tatsächlich einen Struktur- und Kulturwandel des deutschen Wissenschaftssystems, der tiefer geht als Reformen am Höchst- oder Mindestbefristungswesen, wie Laura Kraft bei Wiarda im hinteren Teil ihres vorne nicht so recht geglückten politischen Kommunikationsversuches zurecht schrieb. Der wird aber nicht kommen, wenn HRK und Forschungsgemeinschaft sich jedwede Regelung, die eine Reform am Wissenschaftszeitvertragsgesetz wirksam machen würde, unter Schmerzwindungen abringen müssten.